Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Andular III (Das Erbe der Schicksalsweber) (German Edition)

Andular III (Das Erbe der Schicksalsweber) (German Edition)

Titel: Andular III (Das Erbe der Schicksalsweber) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rene Fried
Vom Netzwerk:
und ließ seinen Blick hastig über die kantigen Felsformationen huschen, doch nirgends konnte er seinen Gefährten erblicken. Da er nicht nach ihm rufen wollte, schlug er sich etwas abseits der Straße hinter einen hohen Felsen und eilte den Ausläufer eines Hügels hinauf, der sich von Westen her zwischen die Straße und den Turm schob. Von dort würde er eine bessere Aussicht haben und dennoch nicht vom Turm aus gesehen werden können, solange er sich nur an der südlichen Seite aufhielt.
    Doch Zardans schlammverkrustetes Fell schien den Wolf aus der Ferne besser zu tarnen, als er gedacht hatte, und so machte er sich nach einigen Minuten wieder an den Abstieg. Er war beunruhigt und begann sich ernsthafte Sorgen zu machen, da kam ihm sein Bruchstück des Runenauges wieder in den Sinn. Hastig zog er sich den Rucksack ab, kniete auf den Boden nieder, wo er Lumeos ablegte und wollte gerade seinen Ring vom Finger nehmen, als urplötzlich ein hoher Ton erklang und ein schwarzer, federloser Pfeil an seinem Kopf vorbeisauste.
    „Der nächste trifft, dass solltest du am besten wissen!“, rief eine grollende Stimme hinter ihm. „Und wage es ja nicht, nach deinem Schwert zu greifen!“
    Renyan drehte sich rasch um. Im Schatten eines keilförmigen Felsens, knapp fünfzehn Meter von ihm entfernt, stand eine riesige Gestalt. In ihrer rechten, klauenartigen Hand hielt sie einen schwarzen Bogen, in dessen Sehne bereits ein weiterer Pfeil gespannt war, der direkt auf Renyans Brust zielte.
    Renyan spürte, wie sich sein Magen unangenehm zusammenzog. Sein Mund war mit einem Mal staubtrocken und die Zunge klebte an seinem Gaumen, während er nach irgendetwas Menschlichem im Gesicht des Hünen suchte.
    „Tenyon?!“, fragte er, nachdem sich seine Zunge wieder gelöst hatte. „Bist du das?“
    Der Hüne musterte ihn mit offener Feindseligkeit. „Diesen Namen habe ich bereits vor Ewigkeiten aus meinem Leben verbannt…Bruder“, knurrte er, als wäre er soeben mit etwas Schrecklichem aus seiner Vergangenheit konfrontiert worden. „Sowie ich alles aus meinem alten Leben verbannt habe“, fügte er hinzu und trat aus dem Schatten des Felsens.
    Renyan erstarrte. Die Gestalt, die dort in einiger Entfernung vor ihm stand, hatte nichts mehr mit dem Tenyon aus seiner Erinnerung gemeinsam. Cale hatte ihm zwar von der veränderten Erscheinung seines Bruders erzählt, doch wie sehr sich Salagors Grausamkeit tatsächlich auf ihn ausgewirkt hatte, übertraf seine schlimmsten Befürchtungen.
    Tenyon, einst ein ansehnlicher junger Mann mit markantem Lächeln und gutmütigen Augen, verkörperte nun nichts anderes als Qual, Leid und grenzenlosen Zorn. Die Ähnlichkeit zu den beiden Slagramul, die Renyan zuvor bei dem Turm gesehen hatte, war nicht von der Hand zuweisen, wenngleich Tenyon durch seine riesige Statur noch bedrohlicher wirkte. Seine langen, verfilzten Haare waren hinter seinem Kopf mit einem speckigen Lederband zusammengebunden und fielen ihm in ungleichen Strähnen über die breiten Schultern. Zwischen den kräftigen Stacheln auf seinem Rücken hing ein schwarzer Köcher, in dem Renyan sieben ebenso schwarze wie federlose Pfeile zählte. Und nun fiel sein Blick auf den Bogen selbst. Noiril hatte in all der langen Zeit seiner Abwesenheit nichts von seiner früheren Faszination verloren. Die verschlungenen Linien auf der dunklen Oberfläche leuchteten und funkelten, wie silbriges Blut, das durch feine Venen pulsierte. An den sich kringelnden Enden des Bogens war eine kaum sichtbare Sehne gespannt, so fein und dünn, wie ein einzelnes, silbernes Haar.
    „Warum, Tenyon?“, fragte Renyan schließlich und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Weshalb hast du mich damals in dem Glauben gelassen, du seist bei dem Angriff auf unser Dorf ums Leben gekommen?“ Und noch ehe er eine Antwort abwartete, fuhr er blitzschnell hoch und trat einen Schritt auf den Hünen zu. „Warum?“, schrie er, und es war ihm egal, ob er dadurch selbst Salagor auf sich aufmerksam machen würde. All der Zorn und die Wut der letzten Jahre, sein Unverständnis über Tenyons Handeln und der damit zusammenhängende Verrat an ihren Eltern sprudelten in diesem Moment aus ihm hinaus, wie Lava aus einem Vulkan.
    Doch anstatt zu antworten, ließ der Hüne plötzlich die silbrige Sehne des Bogens los und der schwarze Pfeil bohrte sich in den linken Oberschenkel seines Bruders.
    Mit einem schmerzerfüllten Schrei sank Renyan in die Knie. Warmes Blut sickerte durch den

Weitere Kostenlose Bücher