Ange Pitou, Band 2
sanften Vorwurf, sehen Sie, wohin dieser Mißbrauch der Unterschriften führt? Hier steht dieser Herr, den Sie nicht kennen, -- Sie gestehen es selbst, -- dieser Herr, der ein großer Praktiker ist, ein gelehrter Arzt, ein Mann, dem Sie nichts vorzuwerfen haben...
Andree erhob das Haupt, um Gilbert mit einer königlichen Verachtung niederzuschmettern.
Er blieb ruhig und stolz.
Ich sage also, fuhr der König fort: da Sie nichts gegen Herrn Gilbert haben, da Sie in ihm einen andern verfolgten,so ist die Strafe auf einen Unschuldigen gefallen. Gräfin, das ist schlimm.
Sire ... versetzte Andree.
Oh! unterbrach sie der König, der schon Angst hatte, der Günstlingin seiner Frau unverbindlich begegnet zu sein, ich weiß wohl, daß Ihr Herz nicht schlecht ist, und daß, wenn Sie jemand mit Ihrem Hasse verfolgten, es verdient hat; doch Sie begreifen, in Zukunft dürfte ein solcher Mißgriff sich nicht erneuern.
Dann wandte er sich gegen Gilbert um und sprach:
Was wollen Sie, Doktor? das ist mehr die Schuld der Zeiten, als die der Menschen. Wir sind in der Verderbnis geboren, und wir werden darin sterben; doch wollen wenigstens wir danach trachten, die Zukunft für die Nachwelt zu verbessern, und Sie, Doktor Gilbert, werden mich, wie ich hoffe, bei diesem Werke unterstützen.
Nach diesen Worten hielt Ludwig inne; er glaubte genug gesagt zu haben, um beide Parteien zu befriedigen.
Der arme König! hätte er eine solche Redensart in der Nationalversammlung vorgebracht, diese würde ihm nicht nur Beifall geklatscht haben, sondern er hätte sie auch am andern Tage in allen Zeitungen des Hofes wiederholt gefunden.
Doch das Auditorium von zwei erbitterten Feinden fand wenig Geschmack an seiner versöhnenden Philosophie.
Mit der Erlaubnis Eurer Majestät, sprach Gilbert, werde ich Madame bitten, zu wiederholen, was sie schon gesagt hat, nämlich, daß sie mich nicht kenne.
Gräfin, sagte der König, wollen Sie thun, was der Doktor verlangt?
Ich kenne den Doktor Gilbert nicht, wiederholte Andree mit fester Stimme.
Aber Sie kennen einen andern Gilbert, meinen Namensbruder, dessen Verbrechen auf mir lastet?
Ja, erwiderte Andree, ich kenne ihn und halte diesen für einen Schändlichen.
Sire, es ist nicht an mir, die Gräfin zu befragen, sagteGilbert; doch wollen Sie die Gnade haben, sie zu fragen, was dieser schändliche Mensch gethan hat.
Gräfin, Sie können einem so gerechten Verlangen keine Weigerung entgegensetzen.
Was er gethan hat? versetzte Andre. Ohne Zweifel wußte es die Königin, da sie den Brief, in dem ich die Verhaftung verlangte, eigenhändig gutgeheißen hat.
Aber es ist durchaus nicht genug, daß die Königin überzeugt ist; es wäre gut, wenn ich auch überzeugt würde. Die Königin ist die Königin, doch ich, ich bin der König.
Wohl, Sire, der Gilbert des Verhaftsbefehles ist ein Mensch, der vor sechszehn Jahren ein gräßliches Verbrechen begangen hat.
Eure Majestät wolle die Frau Gräfin fragen, welches Alter heute dieser Mensch hat.
Der König wiederholte die Frage.
Dreißig bis zweiunddreißig Jahre, erwiderte Andree.
Sire, sprach Gilbert, wenn das Verbrechen vor sechzehn Jahren begangen worden ist, so ist es nicht von einem Mann, sondern von einem Kinde begangen worden, und wenn seit sechzehn Jahren der Mann das Verbrechen des Unmündigen beweint hat, würde dieser Mann nicht einige Nachsicht verdienen?
Aber, mein Herr, fragte der König, Sie kennen also den Gilbert, von dem die Rede ist?
Ich kenne ihn, Sire, erwiderte Gilbert.
Er hat also keinen andern Fehler begangen, als einen Jugendfehler?
Ich wüßte nicht, Sire, daß ihm von der Zeit an, wo er -- ich sage nicht diesen Fehler, sondern weniger nachsichtig als Sie -- dieses Verbrechen beging, irgend jemand in der Welt etwas vorwerfen könnte.
Nein, wenn nicht das Verbrechen, bemerkte Andree, daß er seine Feder in Gift getaucht und sehr ärgerliche Schmähschriften verfaßt hat.
Sire, sprach Gilbert, fragen Sie die Frau Gräfin, ob die wahre Ursache der Verhaftung von diesem Gilbert nicht diewar, daß man seinen Feinden, oder vielmehr seiner Feindin jede Bequemlichkeit geben wollte, sich eines gewissen Kistchens zu bemächtigen, das gewisse Papiere enthielt, die eine vornehme Dame, eine Dame vom Hofe gefährden können.
Andree schauerte vom Scheitel bis zu den Zehen.
Mein Herr, murmelte sie.
Gräfin, wie ist es mit diesem Kistchen? fragte der König, dem die Blässe und das Zittern der Gräfin nicht entgehen konnten.
Oh!
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