Ange Pitou, Band 2
zu, doch mit jenem Gewohnheitslächeln, das für ihre Vertrauten auf die Lippen der Fürsten und Könige stereotypiert zu sein scheint.
Dann, noch frisch begeistert von der Freude, Ludwig XVI. in Sicherheit zu missen, sprach sie zu ihrer Umgebung: Abermals eine gute Nachricht, möchte der ganze Tag so vergehen.
Oh! Madame, sprach ein Höfling, Eure Majestät ängstigt sich mit Unrecht. Die Pariser wissen wohl, welche Verantwortlichkeit auf ihnen lastet.
Aber, Madame, fragte ein andrer Höfling minder beruhigt, ist Eure Majestät auch völlig sicher, daß die Nachrichten echt sind?
Oh! ja, erwiderte die Königin, derjenige, welcher sie mir zuschickt, hat sich für den König mit seinem Kopf verbürgt; überdies halte ich ihn für einen Freund.
Oh! wenn es ein Freund ist, sprach der Höfling, sich verbeugend, dann ist es etwas andres.
Frau von Lamballe war einige Schritte entfernt; sie näherte sich und fragte Marie Antoinette:
Nicht wahr, es ist der neue Arzt des, Königs?
Gilbert, ja, antwortete unbesonnen die Königin, ohne zu bedenken, daß sie jemand an ihrer Seite einen furchtbaren Schlag versetzte.Gilbert! rief Andree bebend, als ob eine Schlange sie ins Herz gestochen hätte. Gilbert, ein Freund Eurer Majestät?
Andree wandte sich um; das Auge entflammt, die Hände durch Zorn und Scham krampfhaft zusammengezogen, klagte Andree mit Stolz in Blick und Haltung die Königin an.
Aber ... doch ... sagte die Königin zögernd.
Oh! Madame, Madame! murmelte Andree im Tone des bittersten Vorwurfs.
Eine Totenstille trat bei diesem geheimnisvollen Zwischenfalle ein. Mitten unter dem Schweigen vernahm man bescheidene Tritte auf dem Boden des anstoßenden Zimmers.
Herr von Charny! sagte halblaut die Königin, als wollte sie Andree ermahnen, sich zu fassen.
Charny hatte gehört, Charny hatte gesehen; aber der eigentliche Vorgang blieb ihm dunkel.
Er bemerkte die Blässe von Andree und die Verlegenheit von Marie Antoinette.
Es geziemte sich nicht für ihn, die Königin zur Rede zu stellen; aber Andree war seine Frau, bei ihr hatte er das Recht, sie zu befragen.
Er näherte sich ihr und fragte mit dem Ton der freundschaftlichsten Teilnahme: Was giebt es, Madame?
Andree machte eine Anstrengung gegen sich selbst und erwiderte: Nichts, Herr Graf.
Sie schienen an der Ergebenheit des Herrn Gilbert zu zweifeln, sagte er dann; sollten Sie einen Grund haben, seine Treue zu beargwöhnen?
Andree schwieg.
Sprechen Sie, Madame, sprechen Sie, fügte Charny dringend bei.
Dann, als Andree immer stumm blieb, fuhr er fort:
Oh! sprechen Sie, Madame, diese Zartheit wäre hier verdammenswert; bedenken Sie, daß es sich um das Heil unsrer Gebieter handelt.
Ich weiß nicht, mein Herr, in welcher Beziehung Sie das sagen, antwortete Andree.Sie haben gesagt, und ich habe es gehört, Madame... ich berufe mich überdies auf die Prinzessin... Charny verbeugte sich vor Frau von Lamballe... Sie haben gesagt und ausgerufen: Oh! dieser Mann, dieser Mann! Ihr Freund!...
Es ist wahr. Sie haben das gesagt, meine Liebe, bestätigte die Prinzessin von Lamballe mit ihrer naiven Gutmütigkeit.
Dann näherte sie sich Andree ebenfalls und sprach:
Ja, Sie wissen etwas. Herr von Charny hat recht.
Haben Sie Mitleid, Madame, haben Sie Mitleid, betonte Andree mit so leiser Stimme, daß sie nur von der Prinzessin gehört werden konnte.
Die Prinzessin entfernte sich.
Als die Königin wahrnahm, daß sie, wenn sie die Redlichkeit nicht verletzen wolle, länger nicht zögern dürfe, sich ins Mittel zu legen, versetzte sie: Ei! mein Gott, es war von geringer Bedeutung; die Frau Gräfin drückte eine Furcht aus, aber eine völlig unbestimmte; sie sagte, es lasse sich schwer glauben, daß ein Revolutionär von Amerika, ein Freund von Herrn Lafayette, unser Freund sei.
Ja, unbestimmt, wiederholte Andree maschinenmäßig, sehr unbestimmt.
Aber es bedurfte mehr als dies, um Charny zu überzeugen. Die auffallende Verlegenheit, die er bei seiner Ankunft bemerkt hatte, brachte ihn auf die Spur eines Geheimnisses.
Er blieb beharrlich.
Gleichviel, Madame, sagte er, mir scheint, es wäre Ihre Pflicht, nicht eine unbestimmte Furcht auszusprechen, sondern sich im Gegenteil klar und deutlich zu äußern.
Wie! versetzte die Königin ziemlich hart. Sie kommen abermals hierauf zurück, mein Herr?
Entschuldigen Sie, Madame, erwiderte Charny, es geschieht aus Interesse für...
Für Ihre Eitelkeit, nicht wahr? Ah! Herr von Charny, fügte die Königin mit einer
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