Ange Pitou, Band 3
Madame, ist vor zehn Minuten zurückgekommen und hat sich ein Bett im Vorzimmer Eurer Majestät aufschlagen lassen.
Die Königin biß sich auf die Lippen.
Man konnte diese Familie Charny anrühren, in welchem Punkte man wollte, man fand sie nie außerhalb ihrer Pflicht.
Ich danke, mein Herr, sprach die Königin mit einem reizenden Zeichen der Hand und des Kopfs, ich danke Ihnen, daß Sie so gut über der Königin wachen. Sie werden in meinem Auftrage Ihrem Bruder danken, daß er so gut über dem König wacht.
Nach diesen Worten ging sie hinein. Im Vorzimmer fand sie Andree, sie war noch nicht zu Bette gegangen, sondern stand ehrerbietig da und wartete. Marie Antoinette konnte nicht umhin, ihr die Hand zu reichen.
Gräfin, ich habe soeben Ihrem Schwager Georges gedankt, sagte sie. Ich habe ihn beauftragt, Ihrem Manne zu danken, ich danke Ihnen ebenfalls.
Andree verneigte sich und trat auf die Seite, um die Königin vorübergehen zu lassen, die in ihr Schlafzimmer zurückkehrte.
Die Königin hieß sie nicht folgen. Diese Ergebenheit, aus der sich, wie man fühlte, die Zuneigung zurückgezogen hatte, und die dennoch, so eifrig sie war, bis zum Tode stand hielt, bereitete der Königin ein Mißbehagen.
Um drei Uhr morgens war alles ruhig.
Gilbert war mit Herrn von Lafayette, der zwölf Stundenzu Pferde gesessen und vor Müdigkeit sich kaum mehr halten konnte, aus dem Schlosse weggegangen. Gilbert war vor der Thüre Billot begegnet, der mit der Nationalgarde gekommen war; er hatte Gilbert wegreiten sehen und dachte, Gilbert könnte seiner dort bedürfen.
Durch den Bericht ihrer Gerichtsdiener beruhigt, hatte sich die Nationalversammlung selbst zurückgezogen. Man hoffte, diese Ruhe würde nicht gestört werden, doch man rechnete schlecht.
Fast bei allen Volksbewegungen, welche die großen Revolutionen vorbereiten, tritt eine Pause ein, wo man glaubt, alles sei beendigt, und man könne ruhig schlafen.
Während dieser schrecklichen Nacht kam noch ein Antrieb hinzu, er ging von zwei Scharen aus, von denen die eine am Abend, die andre in der Nacht in Versailles angekommen war.
Die erste kam aus Hunger und verlangte Brot.
Die andere kam aus Haß und forderte Rache.
Wir wissen, wer die erste Schar anführte, Maillard und Lafayette.
Wer führte nun die zweite an? Die Geschichte nennt niemand. Doch in Ermangelung der Geschichte nennt die Sage:
Marat!
Wir kennen ihn, wir sahen ihn beim Hochzeitsfeste Marie Antoinettes auf der Place Louis XV. Beine abschneiden. Wir sahen ihn auf dem Platze vor dem Stadthause die Bürger nach dem Platze der Bastille treiben.
Wir sehen ihn endlich in der Nacht umherschleichen, gleich den Wölfen, die um die Schafpferche kriechen und warten, bis der Schäfer eingeschlafen ist, um ihr blutiges Werk zu wagen.
Verriere!
Diesen nennen wir zum erstenmal. Er war ein ungestalter Zwerg, ein häßlicher Buckeliger, auf unmäßigen Beinen. Bei jedem Sturme, der den Grund der Gesellschaft aufwühlte, sah man den blutigen Gnom mit dem Schaume aufsteigen und sich auf der Oberfläche bewegen, zwei oder dreimal sah man ihn in erschrecklichen Epochen in Paris erscheinen, auf einem schwarzen Rosse hockend, ähnlich einer Gestalt der Apokalypse oder einemvon jenen ungeheuerlichen Teufeln, wie sie die Fantasie eines Callot erzeugte, um den heiligen Antonius zu versuchen.
Eines Tags stellte er sich in einem Klub auf den Tisch und griff Danton an, bedrohte ihn sogar. Das war zur Zeit, wo die Popularität des Mannes vom 2. September zu wanken anfing. Unter dieser giftigen Anklage fühlte sich Danton verloren, verloren wie der Löwe, der zwei Daumen breit von seinen Lippen den häßlichen Kopf einer Schlange erblickt. Er schaute umher und suchte eine Waffe oder eine Stütze. Er erblickte zum Glück einen andern Buckeligen, packte ihn unter seinen Schultern, hob ihn auf und stellte ihn auf den Tisch seinem Feind gegenüber.
Mein Freund, sagte er, antworten Sie diesem Herrn, ich trete Ihnen das Wort ab.
Man brach in ein Gelächter aus, und Danton war gerettet.
Wenigstens für diesmal.
Es waren also, wie die Sage es behauptet, Marat, Verriere, und dann noch: Der Herzog von Aiguillon.
Der Herzog von Aiguillon, das heißt einer von den Hauptfeinden der Königin.
Der Herzog von Aiguillon als Weib verkleidet.
Wer sagt das? Alle Welt.
Der Abbé Delille und der Abbé Maury, zwei Abbes, die sich so wenig gleichen.
Dem ersten schreibt man den bekannten Vers zu:
En homme, c'est un lâche; en femme, un
Weitere Kostenlose Bücher