Angeklagt - Dr. Bruckner
was heißt hier Schuld! Von wem ging diese Schuld aus? Doch nur von –«, er deutete mit dem Kopf nach rückwärts in die Gegend, aus der sie gekommen waren, »denen da! Findest du es nicht auch merkwürdig, daß drei Menschen kurz hintereinander sterben? Ich frage mich, wie so etwas möglich ist. Und ich fürchte –«, er drückte auf den Gashebel, der Wagen schoß vorwärts, »daß es nicht bei drei Unfällen, wenn ich mich einmal vorsichtig ausdrücken darf, bleiben wird. Ich bin Journalist. Es ist meine vornehmliche Aufgabe, solche dunklen Geschichten ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen.«
»Es sieht fast so aus, als ob du großen Erfolg damit hast.«
»Das will ich hoffen. Ich habe alle meine Beziehungen spielen lassen.« Ein Lächeln trat auf sein Gesicht. »Ehrlich gesagt, habe ich niemals gewußt, wie viele Beziehungen ich habe und wie sehr man auf mich hört.«
»Wahrscheinlich doch, weil es sich um einen Skandal handelt«, glaubte sie einschränkend sagen zu müssen.
»Vielleicht – du hast nicht ganz unrecht. Wenn es etwas Gutes gewesen wäre, das dieser Dr. Bruckner getan hätte, dann würde man meinen, es sei seine Pflicht als Arzt. Nein –«, er fuhr in die Seitenstraße hinein, in der seine Wohnung lag, hielt vor dem Eingang und stellte den Motor ab. »Das ist meine Rache! Und ich werde noch weitergehen. Ich werde nicht eher ruhen, als bis es mir gelungen ist, diesen Oberarzt Bruckner aus der Klinik zu entfernen.«
Er stieg aus, half Barbara beim Aussteigen und schloß den Wagen ab.
»Ich habe ein kleines Abendessen vorbereitet.« Er öffnete die Tür seiner Wohnung und ließ Barbara eintreten. Er nahm ihren Hut ab und hielt ihn lächelnd in der Hand. »Du trägst die verrücktesten Hüte, die ich je gesehen habe. Aber sie passen zu dir.«
»Du meinst also – ich sei auch verrückt?« erklärte sie lächelnd, als er gedankenverloren ihren schwarzen Schlapphut betrachtete.
»Ein bißchen schon –«, er hing den Hut an einen Haken, zog sie an sich und betrachtete sie mit liebevollen Augen, »sonst würde ich dich ja nicht gern haben. Du bist genauso ein wenig verrückt, wie es meine Mutter gewesen ist.«
Das Wort ›Mutter‹ durchfuhr und verwundete Barbara gleichzeitig. So sehr sie Peters Sohnesliebe zu Anfang bewundert hatte, so sehr verabscheute sie jetzt das Wort ›Mutter‹, das immer wieder auf seinen Lippen erschien. »Du liebst deine Mutter mehr als mich?«
Erstaunt ließ Peter sie los. Er trat einen Schritt zurück, betrachtete sie von oben bis unten und schüttelte dann den Kopf. »Das ist keine gute Frage. Man liebt eine Mutter anders als eine Geliebte.«
Er öffnete die Tür zum Eßzimmer. »Wie gefällt dir das?« Er blieb neben ihr am Eingang stehen, nahm ihren Arm und deutete auf den Tisch. Die Kerzen, die dort standen, waren schon halb heruntergebrannt. Anscheinend hatte er sie angesteckt, als er fortfuhr, um Barbara abzuholen. Das Silber leuchtete im flackernden Kerzenlicht. Peter ging auf den Tisch zu und deutete auf die kleinere Vase, die in der Mitte des Tisches stand.
»Deine Blumen!« Er nahm die Vase hoch und betrachtete den Strauß von allen Seiten. »Ich gebe ihnen zweimal täglich frisches Wasser. Dann kürze ich die Stengel ein wenig. Auf diese Weise halten die Blumen sehr lange. Blumen brauchen Pflege – genau wie Menschen. Sonst gehen beide ein, verkümmern.«
Er hatte ihr den Arm um ihren Nacken gelegt. »Ich brauche auch Pflege. Ich brauche dich …«
Fast hätte sie entgegnet, daß er jetzt ihre Pflege brauche, weil seine Mutter ihn nicht mehr betreuen konnte. Sie schluckte es im letzten Augenblick hinunter. Einen Augenblick lang überlegte sie, ob sie diesen Mann wirklich so gern hatte, wie sie es vorher geglaubt hatte. Als sie ihn betrachtete, als sie seinen Blick auf sich gerichtet sah, war alle Überlegung, alle Vernunft verschwunden. Der Tod seiner Mutter war ihm eben noch so nahe, daß es noch viel zu früh war, auch nur den geringsten Versuch zu unternehmen, seine ganze Liebe auf sie umzudirigieren.
Ich werde es schon schaffen, fuhr es ihr durch den Sinn, als er sie an ihren Platz geleitete und galant den Stuhl vom Tisch abrückte.
»So hat meine Mutter jeden Tag den Tisch für mich gedeckt«, erklärte er, als er sich auch gesetzt hatte. »Und so werde ich ihn später für dich decken.«
Er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. »Ich hoffe, es schmeckt dir, was ich gekocht habe.«
»Das hast du alles allein
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