Angel 01 - Die Engel
der Innenstadt streifte, stieß er auf eine kleine, protestantische Kapelle. Dave war Calvinist und mit den Lehren der Presbyterianer aufgewachsen, ein starker Gegensatz zu Dannys und Vanessas Katholizismus. Wäre ich noch religiös, dachte er sich, würde ich die spartanische Grundhaltung der Sekte meiner Eltern ihren überladenen Ritualen vorziehen. Ganz spontan betrat er die Kapelle und setzte sich auf eine der hinteren Bänke.
Unter dem Rundbogenfenster im vorderen Teil der Kirche stand ein schlichter Altar mit einem Messingkreuz. In dem Buntglasfenster waren ein Hirte und seine Schafe dargestellt. Der Raum strahlte eine Geradlinigkeit aus, die ihm gefiel und ihm dabei half, seine chaotischen Gedanken auf die wichtigsten Überlegungen zu konzentrieren.
Ein durchgedrehter Engel. Das war diese Kreatur doch, durchgedreht, ein Gesetzloser. Vielleicht hatte Danny ja Recht. Vielleicht hatte der Engel endlich eine entscheidende Grenze überschritten? Immerhin waren in den Feuern, die er ausgelöst hatte, bisher immer nur zufällig Sterbliche umgekommen, er hatte sie nicht absichtlich getötet. Aber der Brand in der Polizeiwache war eine gezielte Handlung gewesen, er hatte sie mit voller Absicht vollzogen, um sich von den Moskitos Peters und Spitz zu befreien. Und eine solche Zerstörung unschuldigen Lebens konnte doch nicht unbemerkt bleiben, selbst wenn die zehn Gebote nicht für Engel galten. Es war eine Sache, wenn in den Feuern, die für die Feinde der Engel gedacht waren, zufällig auch Menschen starben. Aber es war etwas ganz anderes, das Ziel zu wechseln, von Dämonen zu Menschen.
Der Engel befand sich im Krieg, er jagte in einem fremden Land seine Feinde. Wenn Zivilisten starben, weil sich die Dämonen zwischen ihnen versteckten, war das die unglückliche Folge einer Kampfsituation. Die Schuld lag hier eher bei den Umständen des Krieges, nicht bei dem Engel selbst.
Aber wenn Soldaten anfingen, Zivilisten abzuschlachten, einfach, weil sie den Befreiern im Weg standen, verkehrte sich der gesamte Anlass des Krieges von einer gerechten Sache zu einer grausamen, mörderischen Mission.
Der Engel hatte sich in einen durchgedrehten Besatzer verwandelt. Seine Arroganz hatte seine Integrität ausgehebelt.
Dave rief sich das Gespräch ins Gedächtnis, das er mit Jophiel geführt hatte, und den anschließenden Austausch mit Danny. Armageddon. Was, wenn dieser Krieg zwischen Gut und Böse zur Folge gehabt hatte, dass die Dämonen schon seit Hunderten von Erdenjahren hierherflohen? Vielleicht sind sie ja schon lange unter uns, dachte Danny, zumindest nach unserer Zeitrechnung.
Gegen Dämonen können wir uns mit unseren religiösen Glaubensbekenntnissen und Ritualen schützen, aber wir haben keine Verteidigungsmöglichkeiten gegen Engel.
Dave starrte auf das bunte Glasfenster, in dem der Hirte über seine Schafe wachte und sie vor den Wölfen beschützte. Auch wenn sie in dieser Szene nicht zu sehen waren, hatte der Hirte bestimmt seine Hunde, die ihm dabei halfen, seine Schützlinge zu bewachen. Aber was, wenn einer der Hütehunde durchdrehte und anfing, die Schafe zu reißen?
Jesus, dachte er, du bist der Hirte. Bitte, Herr, unternimm etwas gegen diesen tollwütigen Hütehund, der sich unter uns befindet.
Hinter dieser Bitte lag das Gewicht von Dannys Glauben und Vanessas Überzeugungen, aber auch das von Daves Wut.
Dave verließ die Kirche, da er das dringende Bedürfnis hatte, mit Vanessa zu sprechen. Sie war das Gehirn ihres Trios. Sie hatte Milton und Dante und diese ganzen Typen gelesen, die wirklich Ahnung hatten, wenn es um Schlachten zwischen Engeln und Dämonen ging. Klar, das waren Dichter, aber das Übernatürliche war ja auch kein Gebiet, auf dem man es mit Fakten zu tun hatte.
Auf dem Weg zu ihrer Wohnung ging er kurz in eine Bibliothek, da er sich erst ein wenig bewaffnen wollte. Er hasste es, dass er sich auf manchen Gebieten so wenig auskannte. Er fand ein Bibel-Wörterbuch und schlug » Engel« nach. Der Eintrag verriet ihm, dass der Begriff sich vom griechischen angelos herleitete, was Bote bedeutete. ( » Los Angeles«, murmelte er vor sich hin, » ganz genau.«) Außerdem erfuhr er dort, dass Engel die Instrumente der göttlichen Gerechtigkeit seien, und zwar in drei Funktionen: erstens, um seine Botschaften zu überbringen ( » Postbote«, grunzte Dave); zweitens, um seine Menschen zu beschützen ( » Hirte«); drittens, um seine Feinde zu bestrafen. Das war die Krux. Die göttliche
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