Angel City Love (German Edition)
Aufmerksamkeit der Medien, der Erfolg, die Berühmtheit? Denkst du, wir sehen seelenruhig zu, wie du das alles wegwirfst, und dann haben wir dich für nichts und wieder nichts all die Jahre darauf vorbereitet? Denkst du, wir geben dich einfach so auf als glänzendes Beispiel gegen unsere Feinde, deren Reihen jeden Tag größer werden? Denkst du das?« Sein zorniger Ton ließ beinahe die Wände erzittern.
Jackson und seinen Stiefvater trennten nur wenige Zentimeter. Sie standen sich Auge in Auge gegenüber. Keiner von ihnen wagte es auch nur, zu blinzeln. Nach wenigen Augenblicken hatte sich das heftige Heben und Senken von Marks Brust ein wenig beruhigt. Er schien sich wieder zu fassen. Jackson wandte sich von ihm ab und dachte über Marks Worte nach. Er wusste, dass er die Wahrheit sagte.
»Mark, es tut mir leid, ich habe nicht …«, setzte Jackson müde an. »Es ist vorbei.«
Mark betrachtete seinen Stiefsohn. Die Wut war aus seinem Blick verschwunden; es blieb nur die Enttäuschung.
»Ich spreche morgen früh mit Darcy. Wir kümmern uns um die Angelegenheit. Bis zur Approbationszeremonie morgen Abend spricht hoffentlich keiner mehr davon.«
Jackson nickte.
»Du hast dir heute Abend große Schande bereitet, Jackson«, fuhr Mark fort. »Tu dir selbst den Gefallen und mach so etwas nie, nie wieder. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
»Ja«, erwiderte Jackson.
Mark ging zur Tür.
»Schon bald bist du ein Schutzengel. Versuch also bitte auch, dich wie einer zu benehmen.« Mark hielt auf der Türschwelle kurz inne. Jackson sah zu seinem Stiefvater hinüber, der von den Lampen über ihm beschienen war. Irgendetwas war sonderbar an seinem Blazer, der normalerweise gepflegt und sauber aussah. Er trug ihn jetzt über dem Arm. Der Blazer war knittrig und hatte einen roten Fleck. Wie Blut.
Ehe Jackson überhaupt klar wurde, was er da sah, hatte Mark schon lautstark die Tür hinter sich zugeschlagen. Jackson wartete, bis die Schritte seines Stiefvaters verhallt waren, dann eilte er zur Tür hinüber. Gebückt betrachtete er die Stelle, wo der Erzengel sich soeben noch befunden hatte, doch da war nichts zu sehen. Dann überprüfte er die Decke auf dem Bett, aber auch da gab es keine Spur. Jackson schüttelte den Kopf. Es war eine lange Nacht gewesen – vermutlich fantasierte er schon.
Der Blick in Maddys Augen war allerdings ziemlich real gewesen, als sie ihm erklärt hatte, sie wolle nichts mehr mit ihm zu tun haben.
19
»Letzte Runde«, rief der Mann, während er ein Glas hinter der Bar abtrocknete.
Die einsame Gestalt, die im Trenchcoat auf einem Barhocker saß, nickte stumm. Der Barkeeper griff sich einen Besen und fing an zu kehren.
Langsam ließ Sylvester das letzte Stück Eis in seinem Glas Whiskey kreisen, das er nun schon seit einer halben Stunde in der Hand hielt. Die düstere Bar war so gut wie leer. Sie war eine Institution in Angel City, und das seit Jahrzehnten, mit ihrer dunklen Holzvertäfelung, den dunkelbraunen Sitzecken und den abgenutzten Stühlen. Früher hatten Erzengel auf den Sitzen gesessen, um ihre Geschäfte zu machen, und über dem Spiegel hinter der Bar hingen staubige, gerahmte Fotografien von berühmten Schutzengeln, die in den Vierziger- und Fünfzigerjahren hier ein und aus gegangen waren.
Der Detective hatte den Laden schon seit Jahren nicht mehr betreten. Doch er musste nachdenken. Die Begegnung mit Mark hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. Verbarg der Erzengel etwas vor ihm? Oder beschützte er jemanden? Sylvester hatte Probleme, die Puzzleteile in seinem Kopf zusammenzusetzen. Indem er Sylvesters Bestrafung angesprochen hatte, seinen Ausschluss aus den Reihen der Engel, hatte Mark einen wunden Punkt getroffen, den der Detective lange Zeit zu verdrängen versucht hatte. Bisweilen hätte er schwören können, dass er seine Flügel noch immer spürte. Phantomglieder. Ich halt mich lieber nicht damit auf. Ich muss mich auf den vorliegenden Fall konzentrieren und sollte nicht über Dinge nachdenken, die längst Vergangenheit sind, sagte er zu sich selbst.
Es würde bald zu regnen anfangen. Das sagte ihm sein Rücken. Eine drückende Schwüle lag in der Luft.
Warum sollte jemand – oder womöglich auch etwas – sich anmaßen, Recht sprechen zu wollen über diese Engel? Was hatten Godson oder Templeton verbrochen? Oder war der Grund für ihre Ermordung wirklich nur in der Reihenfolge der Sterne zu suchen? Hatte die MVF die Mittel, einen unzufriedenen Engel auf ihre
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