Angel Eyes. Im Bann der Dunkelheit (German Edition)
«Tut mir leid, aber es ist so.»
«Du bist ein Engel?»
«Nein. Ich war mal einer.»
Ich starre ihn wütend an. «Was bedeutet das überhaupt: Du warst mal einer?»
«Ich bin gefallen, Frannie. Vor langer Zeit.»
Ich vergrabe das Gesicht in den Händen. «Oh mein Gott.» Dann kommt mir ein Gedanke. Ich sehe ihn erneut an. «Bist du wirklich mein Vater?»
Er lächelt. «Ja.»
Ich setze mich auf, starre blind vor mich hin und versuche, das alles zu verarbeiten. Die Ränder meines Gesichtsfelds verschwimmen, und dann wird alles dunkel. Als mir aufgeht, dass ich zu schnell atme und meine Fingerspitzen taub werden, atme ich tief durch, denn ich will nicht noch einmal das Bewusstsein verlieren. «Und was bin ich dann …? Wir alle?» Es ist schwer, die Worte laut auszusprechen.
«Nephilim», antwortet Gabe. «Du und deine Schwestern.»
«Ich verstehe das nicht.»
Gabe drückt meine Hand. «Du bist nur halb Mensch, Frannie. Und deine Schwestern auch.»
«Ich begreife immer noch nicht, was das bedeutet.» Ich beuge mich über die Bettkante, denn ich bin überzeugt, dass ich mich gleich übergeben muss.
Gabes Hand fährt über meinen Rücken. «Nephilim sind die Kinder von gefallenen Engeln und ihren sterblichen Partnern. Deine Mutter ist sterblich, dein Vater ein Engel. Die meisten Nephilim sind sterblich, können von ihrem unsterblichen Elternteil aber besondere Gaben erben – etwa außergewöhnliche Stärke, Hellsichtigkeit oder andere spirituelle Fähigkeiten.»
«Wie die Macht.» Es ist keine Frage.
Gabe nickt langsam.
«Was ist mit meinen Schwestern?»
Gabe verschränkt eine Hand mit meiner. «Sie sind alle auf ihre Art besonders.»
Ich denke an Grace und das Gefühl, dass sie mich durchschaut. «Haben sie auch Schutzengel?»
Mein Vater schüttelt den Kopf. «Sie brauchen im Augenblick keine.»
Ich schwinge die Beine vom Bett, während mich kaltes Entsetzen packt. «Ich habe auch keinen mehr, nicht wahr?»
Gabe sieht mich nur wortlos an.
Tränen brennen in meinen Augen. «Das ist meine Schuld. Ich wollte, dass Matt ein Leben hat.»
«Es ist nicht deine Schuld, Frannie.» Gabe betrachtet meinen Vater. «Matt ist nicht der erste Engel, der seine Flügel an Lilith verliert», erklärt er mit belegter Stimme.
«Lilith? Du meinst Lili ?»
Meinem Vater läuft eine Träne über die Wange.
«Dad?»
«Ich war wie Matt», sagt er.
«Wie Matt», wispere ich. «Du meinst, du warst ein Schutzengel?»
Er nickt.
«Was ist passiert?»
«Ich ließ mich … ablenken.»
«Von Lili», sage ich, denn allmählich passen die Puzzleteile zusammen. «Was ist sie?»
Dad zieht meinen Schreibtischstuhl zum Bett, setzt sich und stützt die Ellbogen auf die Knie. Er lässt den Kopf hängen, als wäre er zu schwer. «Sie ist die erste Frau – Adams erste Gemahlin.»
« Der Adam?»
Er hebt den Blick und nickt. «Die Sache mit ihnen lief nicht gut, und sie wurde aus dem Paradies vertrieben.»
«Du machst Witze.»
«Ich wünschte, es wäre so», sagt Gabe.
«Also ist sie ein Dämon ?»
Ich denke immer noch, das kann doch nur ein Witz sein, aber Gabes Miene ist todernst. «Sie ist ein Dämon – und auch wieder nicht.»
Ich starre ihn frustriert an und schüttele den Kopf. Das ist mir einfach alles zu hoch.
«Genau genommen ist sie immer noch ein Mensch», erklärt er, «aber sie ist auf den Status eines Dämons herabgesunken.»
Mein Vater nimmt meine Hand und seufzt. «Das ist eine lange Geschichte, aber es genügt wohl zu sagen, dass Eva nicht die Einzige war, an die der Teufel sich rangemacht hat. Lilith ist, im Wesentlichen, Seine Königin … Seine irdische Gemahlin. Im Grunde ist sie der erste Sukkubus.»
«Wie konnte Matt dann entgehen, dass sie ein Dämon ist? Engel sollten so etwas doch wissen.»
«Ihre Seele ist menschlich. Sie erscheint uns nicht anders als eine Sterbliche, die für die Hölle markiert ist.» Mein Vater schüttelt den Kopf und senkt den Blick. «Als du sie mit hergebracht hast, hätte ich es wissen müssen. Ich habe einfach nicht nachgedacht.»
Das alles ergibt immer noch keinen Sinn. Sie wurde aus dem Paradies vertrieben … «Aber das war vor Ewigkeiten. Wenn sie kein richtiger Dämon ist, wieso lebt sie dann immer noch?»
Mein Vater sieht mir wieder in die Augen. «Lucifer hat ihre Seele befreit. Sie ist ungebunden, kann von einem sterblichen Gastkörper zum nächsten wechseln. Sie kann jeden besitzen, der bereits für die Hölle markiert ist. Sie muss ihn nur berühren, um
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