Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition)
lieber auf deine Flügel auf», sage ich missmutig. «Falls du sie überhaupt noch hast.»
«Die sind noch da, keine Sorge. Nur hier und da ist es für mich ein bisschen brenzlig geworden.»
«Und? Hättest du sie geopfert, wenn Frannie sich anders entschieden hätte?» Diese Frage hat mir schon seit einer Woche auf der Zunge gelegen.
Gabriels Blick huscht zu Frannie hinüber. «Das ist die große Frage, nicht wahr?»
Aber die Antwort steht in seinen Augen. Vielleicht ist es ihm selbst nicht ganz klar, doch ich habe keine Zweifel. Ohne mit der Wimper zu zucken, hätte Gabriel seine Flügel für sie aufgegeben.
Er tritt einen Schritt auf mich zu. «Du magst zwar keine Bedrohung für Frannies Seele mehr sein, aber ich lasse dich nicht aus den Augen, Lucifer. Gib mir nur einen Vorwand, und ich mache dich fertig.» Und schon ist er wieder weg.
Unten an der Bühne streicht Frannies Mutter Frannies Haare glatt und richtet ihr Barett. Wenn man mich fragt, ist Frannie die Einzige, an der unser peinliches Outfit regelrecht aufreizend wirkt. Ich überlege, was sie darunter trägt. Hoffentlich werde ich später noch Gelegenheit bekommen, das herauszufinden. Der rote Büstenhalter wird es nicht sein, denn der hängt an meinem Bett. Schwarze Spitze wäre nicht schlecht.
Frannies Familie zieht sich auf die Zuschauerbänke zurück. Frannie kommt mit Riley und Taylor auf mich zu und küsst mich. Als ihr Vater das sieht, verzieht er das Gesicht. Ihr Großvater mustert mich streng, ehe er mir zunickt und sich sogar ein Lächeln abringt.
Frannie sieht zu ihren Eltern hinüber. «Mit meinem Vater muss ich noch reden», murmelt sie.
«Das wird nichts nützen», entgegne ich, obwohl ich hoffe, dass ich mich irre. Trotzdem erwidere ich Frannies Kuss.
«Nehmt euch ein Zimmer», sagt Taylor. «Das kann man sich ja nicht mit ansehen.»
«Komm, wir müssen uns aufstellen.» Riley nimmt Taylors Hand und zieht sie über den Sportplatz in Richtung der Bühne.
Ich lege einen Arm um Frannie und bahne uns einen Weg durch das Meer rotbrauner Baretts und Talare.
Die Musik beginnt. Wir braven kleinen Lemminge stellen uns in Zweierreihen auf. Unsere Anweisung lautet, einen halben Meter Abstand zu unserem Nachbarn zu halten, aber Frannie schlingt ihren Arm um mich. Auf die Weise gehen wir zu unseren Plätzen.
Es ist ein warmer sonniger Tag. Deshalb dauert es nicht lang, bis wir allesamt schwitzen und gepeinigt zuhören, wie sich der Direktor ewig über unseren neuen Schritt ins Leben und ähnlichen Unsinn auslässt. Da weiß ich wieder, weshalb ich bislang sämtliche Abschlussfeiern gemieden habe.
Gerade als mir klar wird, dass mein siebentausendjähriges Leben zu Ende geht, weil ich dabei bin, vor Langeweile zu sterben, werden die ersten Namen aufgerufen. Frannie und ich stehen auf und schreiten hoch zur Bühne. Grayson, der Direktor, überreicht mir mein Zeugnis mit anerkennendem Schlag auf die Schulter. Dann kommt Frannie an die Reihe. Sie nimmt ihr Zeugnis entgegen und kommt mit wehendem Talar auf mich zu. Darunter zeichnet ihr Körper sich deutlich ab. Sehr viel scheint sie unter dem Gewand also nicht zu tragen. Für einen Moment überlasse ich mich meinen Phantasien. Ausgemacht ist, dass sie die Nacht bei Taylor verbringt, aber wenn ich es schlau anstelle, kann ich daran womöglich noch etwas ändern. Ich hebe Frannie von der Bühne und küsse sie leidenschaftlich.
«Das war eine super Idee», erklärt sie. «Ich wette, das hat dir bei meinen Eltern jede Menge Pluspunkte eingetragen.»
Ich drehe mich um. Ihre Eltern haben sich von ihren Sitzen erhoben und betrachten uns mit offenem Mund. Selbst den Fotoapparat in seiner Hand scheint Frannies Dad vergessen zu haben. Nur ihr Großvater lacht aus voller Kehle. «Was machen wir jetzt?», frage ich Frannie.
«Das weiß ich noch nicht», erwidert sie. «Aber dass du vor meinen Eltern an mir rumfummelst, kommt eher nicht in Frage.»
Wenig später kommen Frannies Eltern und ihr Großvater zu uns. Ihr Vater mustert mich kalt.
«Und», beginnt Frannies Mutter betont munter. «Geht ihr mit Taylor und Riley zur Party?» Ihr Lächeln ist so echt wie ein Edelstein aus Glas.
Frannie verdreht die Augen. «Ja, Mom.»
Frannies Großvater tätschelt mir den Rücken. «Luc passt schon auf sie auf. Wir haben nämlich eine kleine Vereinbarung getroffen, nicht wahr, mein Junge?»
«Jawohl, Sir», entgegne ich.
«Also ist Frannie in guten Händen.» Der alte Mann zwinkert mir zu.
Frannies Mutter
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