Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition)
dürfen, redet er sich heraus.
Taylor kichert. «Und jetzt bist du aus dem Himmel – Heaven – direkt in der Hölle gelandet.»
«In der Hölle?» Mit zusammengekniffenen Augen sieht Gabriel mich an.
Taylor beugt sich zu ihm vor. «Hades High? Kapierst du den Witz?»
Gabriel legt wieder einen Arm auf Frannies Stuhllehne und wirft mir einen Blick zu. «Deshalb glaubst du also, es könnte ein Heimspiel für dich werden.»
Frannie rückt noch dichter an ihn heran, und ich spüre, wie meine Macht aufrauscht. Ich zwinge mich, ruhig zu bleiben, beuge mich zu ihr und lasse meine Verführungskunst spielen. «Hast du Lust, dich Sonntag mit mir zu treffen? Wir könnten uns an die nächste Zusammenfassung für Englisch machen.»
«Tut mir leid», entgegnet sie. «Aber sonntags gehe ich in die Kirche und anschließend zu meinem Großvater. Aber am Samstag hätte ich Zeit.»
Verdammt, das hätte ich wissen müssen. Trotzdem bin ich gekränkt. Gabriel plaudert mit Riley und Taylor, aber ich sehe, wie breit er grinst. Die reinste Schadenfreude – und so was will ein Engel sein.
Ohne meine Macht einzusetzen, nur mit voll aufgedrehtem Charme, frage ich Frannie, ob sie nicht einmal einen Sonntag auslassen könne.
Sie lächelt entschuldigend. «Du kennst meine Eltern nicht. Aber vielleicht hast du sie schon in den Nachrichten gesehen: der Papst und die Obernonne?»
«So furchtbar?»
«Nein, eigentlich nicht. Im Grunde sind sie ganz in Ordnung.»
Gabriel grinst, als hätte er den Witz des Jahres gehört.
Frannie
Wie soll ich meine Eltern erklären? Nicht dass sie mir peinlich wären oder so. Ich kenne genug Siebzehnjährige, die ihre Eltern nicht ausstehen können. Aber im Großen und Ganzen sind meine Eltern okay. Halt nur sehr religiös. Und ich bin so was wie das schwarze Schaf in der Familie.
«Sagen wir so, ich werde ihren hohen moralischen Standards nicht immer gerecht», fahre ich an Luc gewandt fort.
Daraufhin lehnt er sich zurück und grinst zu Gabe hinüber. «So was höre ich gern.»
Mir schießt die Hitze ins Gesicht. «So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Nur dass meine Schwestern besser wissen, wie man sich an die Regeln hält.»
Luc hebt die Brauen. «Mary, Mary, Mary und Mary?»
Was für ein Arschloch! «Ja, genau die.»
«Sind sie älter oder jünger als du?»
«Zwei sind älter und zwei jünger.»
«Und warum habe ich hier noch niemanden gesehen, der dir ähnlich sieht?»
«Weil meine Schwestern nicht auf diese Schule gehen.»
«Ach?»
Okay, jetzt wird es doch ein bisschen peinlich. Taylor fängt an zu kichern. Miststück!
Ich steche meine Gabel in eine Kirschtomate. Saft und Kerne spritzen auf den Plastiktisch. «Ich wurde sozusagen aus der katholischen Schule rausgeworfen.»
«Das wird ja immer besser.» Luc lacht und sieht zu Gabe hinüber.
«Es klingt schlimmer, als es war», verteidige ich mich. «Eigentlich war es nicht wichtig, aber sie sind da halt sehr empfindlich.»
«Fee hat im Religionsunterricht zu viele Fragen gestellt», platzt es aus Taylor heraus.
«Was für Fragen denn?», fragt Luc interessiert.
Wütend schaue ich Taylor an. «Es war gar nichts.»
Luc wiegt den Kopf hin und her. «Wegen gar nichts fliegt man aber nicht von der Schule.»
«Ich habe nur ein paar Fragen über Gott gestellt», erkläre ich leise.
«Und?», fragt Luc und sieht mich eindringlich an. «Du hast es ihnen nicht abgekauft, stimmt’s? Diese ganze Sache mit Gott.»
Ich stelle mir Matt vor, wie er im Sarg gelegen hat, denn gesehen habe ich ihn da nicht. Ich konnte einfach nicht zu seiner Beerdigung gehen. Das Bild, das mich verfolgt, ist die Erinnerung an sein Gesicht, kurz bevor er gefallen ist. Ich verdränge es ebenso wie die Trauer, die ich sonst tief in mir vergraben habe, und versuche lieber, mir auszumalen, wie Matt, der damals sieben Jahre alt war, heute, mit siebzehn, aussehen würde.
«Über manche Dinge muss ich eben noch nachdenken», antworte ich schließlich. Beispielsweise darüber, wie man die Wahrheit laut ausspricht und sagt, dass es keinen Gott gibt. Dass es ihn nicht geben kann. Denn andernfalls müsste ich ihn hassen. Deshalb finde ich es einfacher, nicht an ihn zu glauben.
«Du glaubst an Gott», schaltet Gabe sich ein, als hätte er meine Gedanken gelesen.
«Woher willst du das denn wissen?», gebe ich ärgerlich zurück.
Gabe nimmt meine Hand, dreht sie um und fährt mit der Fingerspitze an meiner Lebenslinie entlang. Mich erfasst ein wohliger Schauder.
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