Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition)
gibt, und ein Teil von mir möchte ihm sogar glauben. Wenn du mir wenigstens sagen könntest, wo du jetzt bist … Gibt es tatsächlich einen Himmel? Und einen Gott? Ich bin so schrecklich verwirrt.
Wieder fange ich an zu weinen. Zwei Tränen fallen auf das Tagebuch. Ich lege den Stift zur Seite und schlage mir die Hände vors Gesicht. Ich habe das Gefühl, mich langsam, aber sicher aufzulösen, als würde ich ins Bodenlose stürzen. Ich sehe Dinge, die es nicht gibt, und die Schuld liegt wie ein Stein in meinem Magen.
Denn ich hätte an seiner Stelle sterben sollen.
Mit schwerem Seufzer stecke ich das Tagebuch unter die Matratze, rolle mich auf dem Bett zusammen und starre an die Wand. Ich möchte, dass alles einen Sinn ergibt, oder wenn nicht alles, dann wenigstens irgendetwas. Doch das Einzige, was sich herausbildet, sind rasende Kopfschmerzen, und deshalb stelle ich Musik an und denke an gar nichts mehr.
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Kapitel 10 Meine ganz private Hölle
Frannie
Mein Vater fährt mich zur Schule. Schon von weitem entdecke ich Gabe. Er lehnt am Eingang des Schulgebäudes, die Hände in den Hosentaschen. Ich glaube, er ist der schönste Mensch, den es auf dieser Welt gibt.
Dad lässt mich vor dem Eingang heraus. Gabe stößt sich von der Wand ab und kommt uns entgegen.
Dad lehnt sich aus dem Fenster und strahlt Gabe an. «Wie schön, Sie zu sehen.»
Mit den Händen in den Hosentaschen beugt Gabe sich zu ihm herunter. «Ganz meinerseits, Sir. Und noch einmal herzlichen Dank für das Essen gestern Abend.»
«Es war uns ein Vergnügen.» Lächelnd setzt mein Vater sich auf und fährt los.
Gabe schließt mich in die Arme. «Wie geht es dir?»
«Gut.» Bis auf die Tatsache, dass ich weder atmen noch essen oder denken kann.
Hand in Hand betreten Gabe und ich das Schulgebäude. An meinem Schließfach bleibt er stehen und sieht zu, wie ich meine Bücher heraushole. Als ich zu ihm hochschaue, lächelt er mich an. Seine blauen Augen funkeln wie Sterne, und das blonde Haar umgibt ihn wie ein Heiligenschein. Und auf einmal kommt es mir vor, als wäre Gabe ein Engel, der mich mit seinem Glanz umhüllt.
Nur dass ich seiner nicht würdig bin.
«Hast du alles, was du brauchst?», fragt er und deutet auf das Buch in meiner Hand.
Nein. «Ja.»
Auf dem Weg über den Flur legt Gabe mir eine Hand auf den Rücken. Ich wende mich zu ihm um, schlinge die Arme um ihn und lege meinen Kopf an seine Brust. Das ist es, was ich brauche. Oder? Zum Teufel mit Luc. Doch als ich Gabe in die Augen schaue, schäme ich mich. Sein Blick ist so offen und voller Vertrauen, und ich verdiene kein Vertrauen.
Sanft löst Gabe sich aus meiner Umarmung und bringt mich zum Klassenzimmer, in dem gleich meine Englischstunde beginnt. An der Tür steht Angelique und mustert mich geringschätzig. Als Gabe weg ist, setze ich mich und lege meinen Kopf auf den Tisch. Er ist kalt und hart, doch irgendwie gibt er mir Halt.
Gabe und Luc. Die beiden sind wie Tag und Nacht. Wie also kann ich sie denn beide wollen? Aber das tue ich, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Seit gestern Abend ängstigt Gabe mich beinah noch mehr als Luc. Ich glaube nicht an die Liebe, aber gestern habe ich sie gespürt. Bei Gabe – aber auch in mir.
Ich richte mich auf und betrachte meine zittrigen Hände. Als Luc auf den Stuhl neben mir gleitet, fahre ich zusammen. Gabe strahlt Frieden und Liebe aus, Luc dagegen Lust und Leidenschaft. Gabe gibt mir Ruhe, doch Luc ist der Verführer, der mich auf verbotene Weise erregt. Aber nicht nur mich, das ist mir klar. Angelique beispielsweise drückt sich noch immer am Eingang des Klassenzimmers herum.
«Ich wollte dir keinen Schreck einjagen», raunt Luc an meinem Ohr. Als ich mich umdrehe, lächelt er zufrieden. Es macht mich so wütend, dass ich ihm eine runterhauen möchte.
«Ich bin einfach übermüdet», gebe ich bissig zurück, obwohl es nicht mal gelogen ist. Ich habe kaum geschlafen, denn jedes Mal, wenn ich die Augen geschlossen habe, sah ich einen von beiden vor mir. Luc versucht, mir in die Augen zu schauen. Aber müde, wie ich bin, reibe ich mir die Lider.
Zum Glück kommt Mr. Snyder in die Klasse und beginnt mit dem Unterricht. Die geladene Atmosphäre zwischen Luc und mir ignoriere ich geflissentlich. Doch als Mr. Snyder uns aufträgt, mit der Zusammenfassung zu beginnen, kann ich mich auf rein gar nichts mehr konzentrieren. Nicht einen Satz haben Luc und ich am Schluss der Stunde geschrieben, und die
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