Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition)
herausfordernden Blick in meine Richtung nimmt er Frannies Hand und verschränkt seine Finger mit ihren. «Aber deine Macht geht über die Menschen hinaus. Du wirst immer bekommen, was du willst – mit wenigen Ausnahmen.»
Frannie entreißt ihm ihre Hand und fährt zurück. Mit einem Mal steigt der Geruch nach schwarzem Pfeffer auf. «Ich will meinen Bruder zurückhaben», ruft sie wütend. «Und das habe ich bislang ja wohl nicht geschafft.»
«Weil das allein in Gottes Händen liegt», erwidert er.
Frannie schluckt. «Das ist doch alles Unsinn. Ich bin weder eine Heilige noch ein Engel. Ich bin nicht mal ein guter Mensch. Auf mich wartet die Hölle, das zumindest weiß ich jetzt schon ganz genau.»
Wie kommt sie denn darauf? Misstrauisch schaue ich Gabriel an. Aber er hat nur Augen für Frannie. Und natürlich zieht er sie auch wieder an sich. Und Frannie schmiegt sich an ihn, als wäre ich Luft. Finster betrachte ich die beiden. Doch als sich dann der Geruch nach heißer Schokolade in Gabriels Gestank nach Osterglocken mischt, greift wieder die kalte Faust nach meinem Herz und drückt zu. Wenn ich nicht wüsste, dass Frannie seine Hilfe braucht, würde ich diesen Engel erwürgen.
«Ich weiß, weshalb du das glaubst», murmelt er an ihrem Ohr. «Aber du warst nicht schuld an dem, was damals passiert ist.»
«Lügner!» Frannie stößt ihn fort. «Ich habe meinen Bruder getötet, und daran kann niemand mehr etwas ändern.»
Jetzt wird mir alles klar. Deshalb hat Frannie mich so traurig angeschaut, als ich mich nach dem Jungen auf dem Foto erkundigt habe. Es war der gleiche tief vergrabene Schmerz, den ich am ersten Tag in ihren Augen gesehen habe. Das also möchte sie ungeschehen machen.
«Nein», beharrt Gabriel. «Du hast ihn nicht getötet. Seine Zeit war gekommen, weiter nichts.»
«Weiter nichts?», bricht es aus Frannie hervor. «Seine Zeit war gekommen? Ihr raubt Kinder aus ihren Familien und redet euch ein, deren Zeit sei gekommen, nur damit ihr euch besser fühlt?»
«Matt ist auch jetzt bei seiner Familie», verkündet Gabriel salbungsvoll. «Gott hat ihn heimgerufen.»
«Ich hasse deinen Gott», erwidert Frannie so giftig, dass Gabriel aufspringt und ein paar Schritte zurückweicht.
Mir kommt das wie gerufen, denn so kann ich seinen Platz auf dem Sofa einnehmen. Darüber hinaus weiß ich, wie ich Frannies Schmerz lindern kann, denn das möchte ich mehr als alles andere.
«Gabriel hat recht», beginne ich so sanft wie möglich. «Wenn du jemanden getötet hättest, wärest du längst für die Hölle markiert. Aber das bist du nicht.»
«Sollte ich aber», entgegnet Frannie stur.
Ich hebe ihr Kinn an und schaue in ihre wunderschönen Augen. «Nein, Frannie, das solltest du nicht.» Dann küsse ich sie und aktiviere meine Macht. Bisher habe ich das bei ihr nur zweimal getan, doch diesmal will ich nichts weiter, als ihren Zorn und Schmerz vertreiben.
Frannie
Anfangs wehre ich mich gegen Luc. Dann schaue ich in seine schwarzen Augen und weiß, dass er meinen Schmerz versteht. Als seine Lippen mich berühren, gibt etwas in mir nach. Mein Zorn verfliegt, und ich werde ruhig; die Bitterkeit und der Schmerz in meiner Brust verschwinden.
Mit einem Seufzer setzt Gabe sich mir gegenüber auf einen Sessel und betrachtet Luc eifersüchtig. Schuldbewusst schaue ich fort. Wie soll ich ihm auch erklären, dass ich ihn und Luc brauche. Ich verstehe ja selbst nicht, weshalb das so ist.
Luc drückt meine Schulter und wendet sich zu Gabe um. «Hast du eine Ahnung, was mit mir geschieht? Oder zu was genau ich bekehrt worden bin, wie du es genannt hast? Sag bloß nicht, ich werde einer von euch. Bei allem, was dir heilig ist, Gabriel, schwör mir, dass ich nicht ‹tugendhaft› werde, denn das würde ich nicht aushalten.»
«Spätestens, wenn dir Flügel wachsen, weißt du Bescheid.»
«Könnte er denn nicht wie ich werden?», frage ich Gabe. «Ein einfacher Mensch?»
«Möglich ist alles», erwidert Gabe. «Denn soweit ich weiß, ist das, was Luc passiert, einzigartig. Mit Sicherheit kann ich nur sagen, dass es nicht zufällig geschieht. Und dass du der Schlüssel dazu bist. Du bist dabei, die Welt zu verändern, Frannie.»
«Und woran genau denkst du?», frage ich. «Kategorie: Luc findet zu Jesus? Oder Kategorie: jungfräuliche Geburt?»
Luc zieht die Brauen zusammen, wohingegen Gabe zufrieden lächelt. «Ich denke eher an die Größenordnung der jungfräulichen Geburt. Aber wenn du es schaffst,
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