Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition)
zu frösteln. Gabe streicht mir über den Rücken.
«Was glaubst du, was Menschen wie Hitler und Moses gemeinsam hatten?»
Leider steht mir der Sinn nicht nach Rätselraten. «Das ist mir egal. Ich will wissen, um was es sich dreht. Was heißt Macht der Herrschaft?»
«Du kennst doch die Geschichte von Moses», beginnt Gabe. «Er wusste, wie man Menschen überzeugt. Aber Moses hat seine Gabe im Guten eingesetzt. Den Versuchungen des Teufels ist er nie erlegen. Hitler dagegen? Die Geschichte ist ja bekannt. Seitdem hat es nie mehr jemanden mit dieser Kraft gegeben.» Gabe sieht mich vielsagend an. «Außer dir.»
Ich traue meinen Ohren nicht. Ich? Frannie Cavanaugh? Nein, das muss ein Irrtum sein. Hilfesuchend sehe ich Luc an. Er ist noch immer bleich.
«Tja», sagt Gabe. «So ist das. Wenn sie dich bekommen», mit dem Kinn weist er auf Luc, «dann werden sie dich dazu bringen, Böses zu tun. Bleibst du bei uns, kannst du deine Gabe verwenden, um den Menschen zu helfen. Denn deine Kraft wird immer stärker werden.» Gabe umfasst meine Hand und schaut mir tief in die Augen. «Es ist nicht naiv, an das Gute im Menschen zu glauben.»
Ich befreie meine Hand und setze mich auf. Zum einen glaube ich nicht, was er sagt. Dass ich diese Kraft besitze, meine ich. Ich kann es gar nicht glauben, denn dazu reicht mein Verstand überhaupt nicht aus. Ich kann ja nicht einmal meine Fragen in Worte fassen. Doch da meldet sich die kleine Stimme wieder und behauptet, auch das mit dieser Macht der Herrschaft sei wahr. Und plötzlich fühle ich mich winzig und allein, als wäre die ganze Welt, so wie ich sie bisher gekannt habe, auf einen Schlag verschwunden. Wie betäubt drehe ich mich zu Gabe um.
«Muss ich jetzt irgendetwas tun?»
«Nein», erwidert er beschwichtigend. «Aber es ist besser, dass du es weißt. Bislang konnten wir dich beschützen und vor denen geheim halten.» Sein Daumen zeigt auf Luc. «Jetzt können wir das nicht mehr, denn du bist so gut wie erwachsen.»
In dem Fall möchte ich nie richtig erwachsen werden. «Erwartet ihr etwas Bestimmtes von mir?», frage ich kleinlaut.
«Nein.» Gabe tippt auf meine Brust. «Mach einfach das, was dein Herz dir sagt. Tu das, was richtig ist.»
Ich lache auf, so schrill und hoch, wie ich es noch nie von mir gehört habe. «Denkst du etwa, dass ich eine Heilige bin?»
«Davon war nie die Rede, Frannie. Aber du weißt jetzt, was du kannst, ob es dir gefällt oder nicht. Und mein Job ist es, für dich da zu sein, wann immer du mich brauchst.»
Luc
Ich habe es geahnt, seitdem ich in Frannies Körper war. Endlich verstehe ich, warum König Lucifer wollte, dass ich sie unbedingt finde.
Frannie sitzt wie versteinert da. «Ich glaube, ihr habt einen Fehler gemacht», sagt sie schließlich. «Wahrscheinlich habt ihr mich mit Grace verwechselt.»
Gabriel, dieser verdammte Engel, drückt Frannie einen Kuss aufs Haar. «Nein, Frannie, dein Wirken hat schon begonnen. Weder Mary noch Kate oder Grace oder Maggie wäre es gelungen, diesen Idioten zu bekehren.» Verächtlich sieht er zu mir herüber. «Das warst du ganz allein. Und wenn dir so etwas schon gelingt, was glaubst du, was du dann erst bei den Menschen erreichen kannst? Wahrscheinlich hast du sogar schon Leben verändert, ohne es zu wissen.»
Eins muss ich ihm lassen. Süßholz raspeln kann er.
Frannie besitzt die Macht der Herrschaft!
Plötzlich stockt mir der Atem. Was hat Gabriel eben gesagt? Frannie hat mich bekehrt? Mich, ein Geschöpf der Hölle? Wenn das stimmt, wenn sie tatsächlich diese Macht besitzt, dann hat es so jemanden noch nie zuvor gegeben. In dem Fall könnte Frannie nicht nur die Menschen für sich einnehmen, sondern würde eine größere Macht als selbst König Lucifer besitzen. Dann könnte sie, wenn sie wollte, das Gleichgewicht zwischen Himmel und Hölle aufheben.
Die Worte meines Königs kommen mir wieder in den Sinn. Aber jetzt bin ich endlich an der Reihe. Das ist meine Gelegenheit. Endlich begreife ich. Er denkt, mit Frannies Hilfe könnte er den Himmel manipulieren, einschließlich des Allmächtigen selbst.
«Sei einfach nur vorsichtig bei dem, was du dir wünschst », murmelt Frannie gedankenverloren.
«Richtig.» Gabriel beobachtet Frannie aufmerksam. «Deine Macht wird mit jedem Tag stärker», fährt er fort. «Du musst immer daran denken, dass du die Gefühle und Gedanken anderer Menschen beherrschen kannst, und zwar, noch bevor sie die in die Tat umsetzen.» Nach einem
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