ANGEL - Wolfsmensch (German Edition)
schwarzes Abendkleid. Ein Traum aus schwarzer, leichter Seide und edler, filigraner Spitze. Es war nicht meines, also hatte Claude es mir wohl hingehängt.
Während ich es lächelnd vom Bügel nahm, rief ich zur offenen Tür hinaus: „Gehen wir so schick Essen, dass du meiner eigenen Garderobe nicht vertraust?“
Ich war mir so verdammt sicher, dass er außerhalb meiner Sichtweite stand und lauschte, ob ich das Kleid auch brav anzog. Die einzige Antwort, die ich bekam, war ein dunkles Lachen, welches mir eine Gänsehaut den Rücken hinunterjagte. Ich schmunzelte und schlüpfte in das Kleid.
So etwas vermochte auch nur Claude , dachte ich, als ich mich im Spiegel betrachtete. Die Seide fühlte sich toll an auf der Haut. Leicht und luftig, wie Sommerwind. Es saß wie angegossen. Schulterfrei und gerade geschnitten umspielte es meinen Körper. Der Ausschnitt am Rücken war tief. Ließ viel von meinem Rücken sehen.
Ich seufzte, während ich wieder zurück ins Bad ging. Es war doch erschreckend, wie gut Claude meine Maße kannte.
Noch einmal überprüfte ich mein Haar und zog den Lippenstift nach. Ich wollte wenigstens zu dem Kleid passen. Als ich damit fertig war, suchte ich aus meinem Kleiderschrank noch einen breiten, langen schwarzen Schal, den ich mir um die Schultern legte. Leider besaß ich nur ein einziges Paar schwarzer, elf Zentimeter hoher Riemchenstilettos. Bisher hatte ich nicht allzu oft die Gelegenheit gehabt auszugehen. Ich zog sie an und verließ mein Zimmer.
Natürlich erwartete er mich draußen im Flur und ich staunte nicht schlecht, als ich ihn sah. Claude hatte sich das weiche, lange Haar ordentlich nach hinten gekämmt und zusammengebunden. Er trug ein schwarzes Seidenhemd, dessen erste drei Knöpfe er offen ließ und eine passende Anzughose. Und wahrscheinlich sagenhaft teure italienische Lederschuhe.
„Gut siehst du aus“, schnurrte ich leise. „Ich wusste, dass es dir stehen würde“, sagte er leise und seine Stimme schien mindestens eine Oktave tiefer. Ich legte den Kopf zur Seite und machte dann eine auffordernde Geste zur Tür. „Wollen wir dann?“
Er nickte und griff sich die Autoschlüssel, die auf einer kleinen Kommode im Flur lagen. „Ich fahre.“
Das Restaurant an der Spree war ein sehr elegantes Französisches. Ich staunte nicht schlecht, aber dass Claude Geschmack hatte, hatte er in letzter Zeit ja schon öfters bewiesen.
Am Eingang empfing uns ein adretter, alter Mann mit Akzent und führte uns zu einem kleinen Tisch, der etwas abseits der anderen in einer Nische am Fenster stand. Ich wollte wetten, dass Claude bei der Reservierung genau nach diesem Tisch verlangt hatte.
Claude ließ mich, ganz Gentleman, zuerst platz nehmen, ehe er sich setzte. Der Kellner brachte uns die Karte und entzündete die Kerze auf dem Tisch. Als er weg war, ergriff Claude das Wort.
„Ich hoffe, es gefällt dir?“, fragte er leise und fing meinen Blick über den Rand seiner Karte hinweg auf. Ich erwiderte ihn.
„Ja“, sagte ich leise und war ein wenig verwundert darüber, dass ich nun nicht mehr lesen konnte, was in ihm vorging. Hatte er die letzten Tage doch keinen Hehl mehr daraus gemacht, was er dachte, versteckte es sich jetzt ganz hervorragend. Claude hob fragend die Augenbraue, als ich ihn immer noch anstarrte. Ich schüttelte nur den Kopf und senkte den Blick wieder auf die Karte. Darüber konnte ich mir später auch noch Gedanken machen. Jetzt hatte ich zuallererst mal Hunger.
Nach einer fantastischen Ente in Rotweinsoße, Wein und Salat saßen wir immer noch beisammen am Tisch. Abermals über der Karte. Die Frage war nun: Nachtisch oder nicht? Wir konnten uns beide nicht entscheiden.
„Vielleicht sollten wir einfach nach Hause gehen?“, unterbrach ich plötzlich unsere Diskussion über Eis oder Creme brúlee. Claudes Blick schnellte nach oben und für den Bruchteil einer Sekunde sah ich wieder dieses Glühen hinter schwarzem Glas darin. Eine Welle von dunklen Emotionen streifte mich. So schnell und so viele auf einmal, dass ich sie gar nicht fassen konnte. Aber die Illusion war genauso schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen war.
„Magst du nichts Süßes mehr?“, grinste er mich an, und alles, was ich eben gespürt hatte, gesehen hatte, war verschwunden.
Auseinandergestoben, wie Staub im Wind.
Ich wollte gerade zu einer leisen, diplomatischen Antwort ansetzen, als der Schatten des Kellners über den Tisch fiel. Der junge Mann lächelte zu uns
Weitere Kostenlose Bücher