ANGEL - Wolfsmensch (German Edition)
Der gekennzeichnete Ort lag weit außerhalb. Mit dem Bus und der Bahn würde ich näher herankommen, aber es lag auch noch ein ganzes Stück Fußmarsch vor mir.
*
Es war alles so schrecklich laut hier. Und dreckig.
Mariel wanderte vorsichtig durch Berlins schreckliche Straßen. Es war fast dunkel und immer noch wusste sie nicht, wo sie diese Nacht bleiben sollte.
Raphaels Assistentin Ariel hatte ihr erklärt, worauf sie achten musste, wenn sie auf der Erde unter den Menschen war. Sie sollte immer nur weite, hochgeschlossene Kleider tragen, damit sie ihre Reize verbarg. Laut Ariel reagierten Menschen, besonders die Männer sehr empfänglich darauf. Ebenso sollte sie ihr langes, goldblondes Haar verstecken. Aus denselben Gründen, wie Ariel sagte. Sie dürfe auch weder ihre Flügel zeigen, noch ihre besonderen Kräfte einsetzen, es sei denn, es ist ein Notfall.
Traurig seufzend rückte Mariel ihre Kapuze zurecht und stopfte ein paar uneinsichtige blonde Strähnen zurück. Hätte man ihr vorher gesagt, dass die Erde so ein lauter und übelriechender Ort war, hätte sie es sich vielleicht anders überlegt.
Aber was blieb ihr jetzt? Sie hatte den Auftrag des Erzengels angenommen und nun war sie hier. Also würde sie das Beste daraus machen! Raphael sollte stolz auf sie sein, wenn sie zurückkäme und ihm die Schwestern brachte.
Mit neuer Energie schritt sie die Fußgängerzone entlang, blieb aber abrupt stehen, als ihr ein wundervoller, süßer Geruch in die Nase stieg. Zwischen all dem Gestank sickerte er in ihre Nase und ließ ihr Herz höher schlagen. Vorsichtig drehte sie sich herum, um den Geruch nicht zu verlieren. Sie schlug die großen, blauen Augen auf und fand sich vor einer schön ausgeleuchteten Schaufensterscheibe wieder. Auf goldenem Tuch und filigranen, silbernen Platten lagen dort kleine braune, schwarze und weiße Dinge. Jedes sah irgendwie anders aus und doch wieder ähnlich. Angestrengt versuchte sie, die kleinen Schilder neben jeder Platte zu lesen. Nougatpraline. Weiße Trüffel. Kaffeesahnetrüffel.
Das war Schokolade!
Plötzlich erkannte sie die kleinen Dinge. Davon hatte sie im Himmel gehört. Die Chöre erzählten ihren Dienern öfter davon oder teilten etwas mit ihnen, wenn sie von der Erde wiederkamen. Selbst hatte Mariel noch nie davon gekostet, aber es sollte ganz vorzüglich schmecken.
Sie leckte sich die Lippen. Was gäbe sie für nur ein einziges Stück davon!
„Hier.“
Die menschliche Stimme nahe an ihrer Seite ließ sie erschreckt aufkeuchen und herumfahren. Mit klopfendem Herzen sah sie in die braunen Augen einer menschlichen Frau, die ihr etwas hinhielt.
„Du kannst es ruhig haben. Ich habe es gerade erst gekauft.“ Die Frau sprach mit sanfter, ruhiger Stimme und auch ihr Lächeln schien Mariel vertrauenswürdig.
„Danke“, murmelte sie in der Menschensprache und griff vorsichtig nach der hellbraunen Praline, die die Frau ihr hinhielt. Sie zögerte, ehe sie behutsam eine Ecke abbiss.
In ihrem Mund explodierte das kleine Schokoladenstück. Weiche, samtige Süße erfüllte sie und wanderte über ihre Zunge. Der Geschmack war so wunderbar, dass er ihr Herz berührte. Glücklich seufzte sie und steckte sich den Rest der Praline in den Mund. Das größere Stück schmeckte sogar noch besser.
„Achtung, kleiner Engel, du leuchtest.“
Mariel erschreckte sich so sehr über die Worte der Frau, dass sie sich an der wundervollen Praline verschluckte. Hustend hielt sie sich die Brust, bis sie wieder zu Atem kam. Eilig blickte sie an sich hinunter, aber ihr inneres Leuchten war wieder verschwunden. Auch bei einem Blick in die Runde schien niemand bemerkt zu haben, dass sie leuchtete.
Beinah ängstlich sah sie dann wieder zu der Frau auf, die sie erkannt hatte. Seltsamerweise war ihr Lächeln immer noch so freundlich.
„Mach' dir keine Sorgen. Ich weiß zwar, was du bist, aber ich werde dich nicht verraten und ich werde dir auch nichts tun. Mein Name ist Tracey. Was macht ein so hübscher, junger Engel, wie du, auf dem Ku´damm in Berlin, hm?“
Mariel sah sich wieder nach den Seiten um. Die Frau benutzte das Wort Engel sooft, dass es doch irgendjemand hören musste. Aber niemand schien die Beiden auch nur wahrzunehmen. Die Frau sagte wieder etwas zu ihr. Scheinbar konnte sie ihre Unsicherheit sehen.
„Mach dir wegen der Menschen keine Sorgen. Niemand hier hört, was der andere sagt und für Dämonen ist es noch zu früh, um auf der Straße zu sein.“ Sie
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