ANGEL - Wolfsmensch (German Edition)
auszubreiten und sie aufzufangen. Sie zu halten und nie wieder gehen zu lassen. Und er spürte, in dem Moment, in dem ihr federleichter Körper in seine Arme glitt, als er ihre Haut das aller erste Mal berührte, dass er sie aus tiefstem Herzen und mit jeder Faser seines Körpers, mit allem was er war, liebte.
So bekam er Angel. Man warf ihn mit ihr zusammen auf die Erde. Und auch, wenn er nicht wusste, was er tat, führte er sie. Er zeigte ihr die Welt. Seine Welt. Er lehrte sie das Leben. Aber als sie alles wusste, was sie brauchte, verließ sie ihn. Ließ ihn hinter sich zurück. Kehrte ihm den Rücken. Und er ließ sie ziehen ...
Er sah sie viele, viele Jahre nicht wieder. Er spürte sie, selbst über die Distanz von Kontinenten, die sie trennten. Er wusste alles, was sie tat. Sah jede Wunde, die sie erlitt auf seiner eigenen Haut. Spürte jeden Mann, den sie sich nahm. Und er hasste sie dafür. Er hatte schnell gemerkt, dass sie etwas an sich hatte, dass alle Wesen männlichen Geschlechts, wie magisch anzuziehen schien. Es war ihre Art. Ihre Bewegung. Ihr Gang. Ihr Geruch. Ihr Augenaufschlag. Ihr Blick. Der Schwung ihrer Lippen, wenn sie lächelte. Sie konnte jeden haben nur in dem Sie ihn ansah.
Claude sah sie nie so an. Nicht einmal in den ganzen Jahren, die er bei ihr war. Sein Hass auf sie und vor allem auf sich selbst wuchs. Er verabscheute die Männer, die sie zu sich ließ. Und hasste sich dafür, dass er nicht das war, was sie wollte. Deshalb war er beinah froh, als sie ihn verließ. Er wollte diese Wächterrolle nicht, und das Wissen darum, dass seine Gefühle für sie nur ein ausgesprochener Fluch war, machten seine Qualen fast unerträglich. Er hasste sie und begehrte sie mit jedem Tag, den er ohne sie verbrachte, mehr.
Irgendwann zu dieser Zeit begegnete er Midnight. Auch wenn er damals längst noch nicht so hässlich war. Claude, der mittlerweile halb wahnsinnig war vor unerfüllter Liebe, machte einen Pakt mit diesem Geschöpf. Midnight versprach ihm, er könne seine Liebste alles vergessen lassen, was vor dem heutigen Tag geschehen war. Claude sah darin seine Chance, seinen Engel endlich für sich zu gewinnen. Er versprach Midnight dafür, allzu leichtfertig, was er wollte. Aber er hätte dem Dämon alles gegeben. Midnight wirkte seinen Zauber, und als Claude dann wieder zu Angel ging, erinnerte sie sich nicht an ihn …
Damals, das war Ende des achtzehnten Jahrhunderts gewesen. Angel hielt sich gerade eine Weile in Paris auf. Claude hatte sie, lange bevor er bei Midnight gewesen war, um ihn um den Zauber zu bitten, wochenlange beobachtet. Sie besaß derzeit einen kleinen Antiquitätenbuchhandel. Ihre zweite Seite verbarg sie gut vor der Welt, das musste er ihr lassen. Sie hatte sich fantastisch angepasst. Als der Zauber dann gesprochen war, ging er wieder zu ihr. Der Tag war regnerisch. Ein wahrer Wolkenbruch. Bis auf die Knochen durchweicht stand er vor ihrem Laden und wagte nicht hineinzugehen. Zu viele Fragen schwirrten in seinem Kopf. Würde sie ihn erkennen? Konnte sie sich erinnern? Würde sie ihn hassen, wenn sie sich erinnerte und er versuchte, sie für sich zu gewinnen?
Plötzlich öffnete sich die Ladentür. Sie trat einen Schritt heraus in den Regen und lächelte ihn an. „Sie können auch hereinkommen, wenn sie mögen“, sagte sie zu ihm. Ein Lächeln so voller Wärme, dass es ihm fast das Herz brach. „Drinnen ist es wesentlich trockener als hier draußen, glauben sie mir!“ Sie lachte leise und hielt ihm die Tür auf. Claude machte ein paar Schritte und trat an ihr vorbei ins Innere des Ladens. Er musste sich zwingen, schon damals, dass ihm in ihrer Gegenwart seine Umgangsformen wieder einfielen.
„Haben sie vielen Dank“, sagte er leise und sah sich um. Während er tiefer in den staubigen, kleinen Laden vordrang, der bis unter die Decke vollgestopft war mit alten Büchern, hinterließ er auf dem Boden eine Spur von Regenwasser. Hinter ihm schloss sie die Tür.
„Warten sie. Ich hole ihnen etwas zum Abtrocknen.“ Sie ging eiligen Schrittes an im vorbei und holte ein grobes, aber wohlriechendes Stofftuch unter der Theke hervor. Sie reichte es ihm und sah ihn an. Er sah etwas in ihren Augen aufblitzen, das aussah, wie erinnern. Sie musterte ihn einen Moment. „Irgendwie kommen sie mir bekannt vor“, murmelte sie nachdenklich, „Sind wir uns schon mal begegnet?“
Claude setzte ein schiefes Lächeln auf. Sie erinnerte sich wirklich nicht an ihn. Zwar war eine wage
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