ANGEL - Wolfsmensch (German Edition)
zerbräche man ein Bündel trockener Zweige. Die Muskeln in seinen Armen und Beinen zitterten, als er sein letztes Bisschen Kraft darauf verwendete zu gehen.
Doch die Neugier war stärker.
In der Eintönigkeit seiner Haft war dieses Funkeln dort eine unglaubliche Veränderung.
Kreischend schleiften die Glieder der Ketten hinter ihm über den Stein. Er würde nicht bis dort herüber kommen, das wusste er, aber vielleicht konnte er mehr erkennen, wenn er wenigstens etwas näher herankam.
Ein Geräusch ließ ihn den Kopf heben. Seltsam , dachte er träge, das klang fast wie … Schritte?
Als er das dachte, war er sich sicher nun endgültig den Verstand verloren zu haben. Hier kam niemand her. Niemand konnte ihn hier finden. Das hatten ihm die Priester der Inquisition damals gesagt, als man ihn hier eingesperrt hatte und die Zeit hatte ihnen recht gegeben.
Doch das Geräusch blieb und nur eine Sekunde später rieselten Steine auf den Höhlenboden, nur ein paar Meter vor ihm. Gefolgt von einem erschrockenen Keuchen und einem Aufprall.
Er blinzelte in den aufgewirbelten Staub und erkannte dort ein schwarzes Bündel.
Seine Nase reckte sich von ganz allein. Er konnte etwas riechen. Weibliches Fleisch. Und … Blut!
Eine Unsterbliche! Hier in seinem Gefängnis!
Kein Mensch, kein dummer Dämon, nein eine Unsterbliche hatte sich hierher verirrt!
Er konnte sein Glück kaum fassen! Endlich war der Moment gekommen, in dem er fliehen konnte!
*
„Verdammt!“
Fluchend richtete ich mich auf und rieb mir den Hinterkopf. Ich musste das Blut nicht einmal sehen, um zu wissen, dass ich mir bei meinem Sturz anständig den Kopf gestoßen hatte.
Wenigstens hatte ich mein Knicklicht wieder. Das grüne Licht lag nur einen Steinwurf neben mir und schimmerte fröhlich in der Dunkelheit. Wenngleich es wenig gegen die absolute Finsternis ausrichten konnte, in der ich nun saß. Ich hob den Kopf und sah zur Decke, erkannte aber nicht einmal das Loch, durch das ich gefallen war.
Seufzend tastete ich nach meinem Rucksack und nahm die Magnesiumfackeln zur Hand, die ich eben schon hatte verwenden wollen.
Ich schloss die Augen und riss an der Schnur. Zischend entzündete sich das Magnesium und ich warf die Fackel von mir. Als ich die Augen wieder öffnete, erhellte das grellweiße Licht einen Großteil der Höhle, in der ich mich befand.
Und spiegelte sich in zwei glühenden, gelben Augen.
Ich schluckte, als ich ihn sah. Offenbar hatte ich soeben mein Ziel entdeckt. Ich war mir absolut sicher, dass er es war. Ira
Dort, gerade am Rande des Lichtkreises, hockte … ein Monster. Eine Kreatur, die so schrecklich abgemagert und geschunden aussah, dass es mir fast das Herz brach. Er hatte tatsächlich Ähnlichkeit mit meiner zweiten Gestalt, wenngleich er größer und wahrscheinlich auch stärker war. Seine Glieder waren lang und der Rücken stärker gebogen. Breite Schultern und schmale Hüften. Das dunkle Fell, das wohl einmal schwarz gewesen war, war nun grau und stumpf. Verfilzt von Staub und ich erkannte stellen, an denen er sich selbst verletzt hatte. Überall stachen die Knochen durch die Haut. Da war kein Gramm Fleisch mehr an ihm. Als hätte sein Körper sich in all der Zeit selbst verzehrt.
Langsam erhob ich mich und wandte mich ihm zu. Er saß geduckt dort und rührte sich nicht. Die rissigen Lippen von den Zähnen gebleckt, aber ohne ein einziges Geräusch zu verursachen. In seinen Augen, die mich unverwandt anstarrten, erkannte ich nur einen einzigen Gedanken.
Hunger.
Mir war klar, dass das gefährlich werden konnte, aber was blieb mir? Ich musste ihn befreien. So lautete mein Auftrag.
„Mein Name ist Angel“, flüsterte ich, so leise ich konnte. Da er schon Jahrhunderte nichts mehr gehört hatte, waren seine Ohren entweder taub oder unglaublich empfindlich und Schmerzen bereiten wollte ich ihm nicht. „Dein Freund Tony schickt mich. Ich bin gekommen um dich zu befreien ... Ira.“
Die Bestie legte den Kopf auf die Seite. Offenbar hatte er mich gehört. Ob er mich verstanden hatte, war eine andere Frage. Wenngleich er auch nicht so einfach sterben konnte, so konnte der Hunger ihn wahnsinnig gemacht haben und dann könnte ich mir den Mund fusselig reden, er würde mich einfach töten.
„Hast du mich verstanden? Gibt mir ein Zeichen, wenn du mich verstanden hast, Ira. Ich werde jetzt zu dir kommen, also benimm dich, ja?“
Nun neigte er den Kopf in die andere Richtung. Da der Rest seines riesenhaften Körpers
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