ANGEL - Wolfsmensch (German Edition)
los. Ich konnte an nichts anderes denken, als an das Gefühl, wie er mit mir zusammen kam ...
Murrend stand ich auf und ging zum Schrank. Ich zog mir ein Tanktop und eine lockere, schwarze Jogginghose an und verließ das Zimmer. Zielstrebig schlich ich hinaus auf die Terrasse. Dort setzte ich mich auf die steinernen Stufen und genoss die neblige Stille des Morgens. Das sanfte Licht der Morgensonne wärmte mein Gesicht und sickerte scheu zwischen den Zweigen der Bäume und Sträucher ringsum hervor. Die grauschwarze Nacht verschwand und langsam kehrte die Farbe in die Welt zurück. Ich roch die Erde und das taufeuchte Gras. Den Wind, der den zarten Duft von Rosen und Wildkräutern zu mir trug. Es roch nach kühlen Steinen, Wasser und Staub.
Ein leises, kaum wahrnehmbares Geräusch erweckte meine Aufmerksamkeit. Es war gerade so laut, dass es meine nach wie vor empfindlichen Sinne aufnehmen konnten. Ich erhob mich lautlos und schlich ums Haus herum. Neben dem Haus und auch dahinter erstreckte sich der große, wilde Garten. Ich verbarg mich hinter der Hauswand und spähte herum.
Da stand er. Sein Geruch vom Wind zu mir getragen. Meer und Salz und Staub. Der Ursprung des Geräusches. Barfuß und in Lederhose und schwarzem Shirt. Am Rande des Weihers. Das Gesicht der Sonne zugewandt. Die Augen geschlossen. Die Arme leicht von sich gebreitet. Offen für das Licht. Seine Lippen bewegten sich in leisem Gemurmel.
Was machte Claude da?
Ich beobachtete ihn, verbarg meine Aura so gut ich konnte. Er sah so zufrieden und entspannt aus, wie er da stand in der frühen Sonne. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Bisher war er immer so düster und ernst gewesen.
Naja, bis auf letzte Nacht vielleicht.
Ich wollte unbedingt wissen, was er da machte, aber ich wollte ihn auch nicht stören. Also setzte ich mich lautlos an die Hauswand in die Sonne und wartete. Ich zog ein Knie an und stützte den Arm darauf. Unter meinen nackten Füßen spürte ich das moosige, feuchte Gras und die beruhigende Kraft der Erde, die in meinen Körper strömte. Entspannend. Wärmend. Erdend.
Erst, als die Sonne völlig aufgegangen war, öffnete Claude die Augen und drehte sich um. Sein sanfter Ausdruck verschwand, als er mich sah.
„Wie lange sitzt du schon da?“, knurrte er, während er zu mir kam. Sein Gang war fest und geschmeidig. Wie ein Raubtier. Aufrecht und stark.
„Schon eine Weile ...“, erwiderte ich und musste den Kopf heben, als er vor mir stand. Er musterte mich einen Moment, ehe er sich neben mich an die Hauswand setzte.
„Was hast du da gemacht?“, fragte ich ihn leise und drehte mich zu ihm. Er verdrehte die Augen und brummte genervt. Er wollte nicht darüber reden, tat es dann aber trotzdem.
„Es ist ein Ritual zur Reinigung“, murmelte er dann, ohne mich anzusehen, „Ich muss das jeden Morgen nach Vollmond machen.“
Reinigung? Ich stutzte und sah ihn mit skeptischem Blick an. Er kam der Frage, die mir auf der Zunge lag, zuvor.
„Ich reinige die Seelen deiner Opfer und weise ihnen den Weg auf die andere Seite ...“ Seine Stimme war leise, fast ein Flüstern. Er klang, als wäre er sehr traurig über diese Arbeit. Ich musterte ihn. Versuchte in ihn hinein zu sehen, aber ich stieß nur auf eine dunkle Wand aus Ablehnung und Selbstkontrolle.
Die Seelen meiner Opfer reinigen ... Ihnen den Weg weisen ...
„Warum musst du das tun? Es sind doch nur Menschen ...“
Claude gab einen verächtlichen Laut von sich und verzog die Lippen.
„Nicht einmal du kannst so viel Leid ertragen, Angel. Kein Wesen kann all die Last tragen, die eigentlich deine Schultern niederdrücken müsste ...“ Er wandte den Kopf zu mir und sah mich durchdringend an. „Nur, weil ich da bin, gehst du noch aufrecht“, fuhr er fort und nun wurde aus seinem düsteren Blick ein warmes Lächeln. „Ich könnte nie zu lassen, dass man dich in die Knie zwingt.“
Eine laute Stimme im hinteren Teil meines Hirns schrie mich an, ich solle ihn sofort wieder in seine Schranken weisen. Ich solle ihn anfauchen und ihm sagen, er dürfe mich nicht so ansehen. Aber ich schwieg und blieb, wo ich war. Erwiderte seinen Blick stattdessen nur.
Er hielt mich aufrecht .
Die Worte hallten lange in meinem Kopf nach. Wusste ich doch, tief im Inneren meiner Seele, dass sie wahr waren. Ich fühlte den Schlag seines schweren Herzens, wie den Schatten meines eigenen. Er sah mir fest in die Augen. Ein Blick voller Wärme und Vertrauen. Ich wollte das nicht sehen. Ich wollte
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