Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)
war fotografiert worden. Knapp 20 Jahre danach will BILD das längst legendäre Foto im Bundestagswahlkampf 2009 wiederholen, in derselben Hütte, mit denselben Fischern und mit Angela Merkel natürlich. Allein: Die Hütte hat kein dichtes Dach mehr, steht schon lange leer, und die Fischer selbst haben es auch nicht alle gleichermaßen gut über die beiden Jahrzehnte geschafft (um es vorsichtig auszudrücken). Merkel reizt dieses remake , aber dem Zufall will sie nichts überlassen und stellt etliche Bedingungen. Am Ende gibt es ein Foto, das zusammen mit einem langen Interview gedruckt wird.
Sie ist ein Profi, mindestens so sehr wie der vermeintliche Meister aller Polit-Inszenierungen, Karl-Theodor zu Guttenberg. Der hatte zwar einen enormen Instinkt für die Kraft und den Moment von Bildern, aber wenn »Inszenierung« auch »Kontrolliertheit« heißt, dann war zu Guttenberg von ziemlich schwankender Qualität beim In-Szene-Setzen seiner selbst. Ein Bild auf der Titelseite einer BILD -Sonderausgabe als 3-D-Posterboy-Pilot vor einem Tornado-Kampfflugzeug wäre mit Merkel ebenso wenig zu machen gewesen wie jenes Foto, das Guttenberg als frischen Wirtschaftsminister mit Was-kostet-die-Welt?-ausgebreiteten Armen auf dem New Yorker Times Square zeigt. Sie hätte den politischen Bumerang gefürchtet, wäre auch vor dem Anspruch der Geste zurückgeschreckt. Guttenberg hat beides als Spiel geliebt. Die Kanzlerin dagegen liebt keine Spiele und schon gar keine Spielchen. Sie liebt, wenn es klappt. Und wenn es droht, nicht zu klappen mit einem guten Foto, dann kann sie fuchtig werden, wie im Spiegel Mitte 2008 süffisant beschrieben: Da hatte sich bei einem Auftritt der Kanzlerin ein Sicherheitsmann aus Versehen zwischen sie und die Kameras manövriert – und bekam es dicke: »Det is ja keen Bild hier«, schoss es in typisch verschliffenem Deutsch aus Merkels Mund. »Geh’n Se doch mal ’n bisschen aus der Latüchte.«
Trotzdem würde sie nicht lieber ständig einen Leib- und Magen-Fotografen um sich haben, wie das andere Staats- und Regierungschefs selbstverständlich tun. Die Kanzlerin hat keinen solchen Hof-Fotografen im engeren Sinne, die Kollegen vom Bundespresseamt begleiten sie zwar häufig, aber eine besondere Beziehung scheint sie zu keinem von ihnen zu haben. Ein wenig heraus ragt derzeit nur Andreas Mühe. Zu besonderen Anlässen nimmt sie den Sohn des bekannten DDR -Schauspielers Ulrich Mühe mit an Bord der Kanzlermaschine. Mühe ist auch dabei, als sie Mitte 2011 die »Medal of freedom« aus der Hand von US-Präsident Barack Obama erhält, die mit faszinierendem Pomp verliehene höchste zivile Auszeichnung der Vereinigten Staaten von Amerika. Als sie in einem etwas ruhigeren Moment mit Obama zusammensteht, winkt sie Mühe heran, um ein, um das Foto zu machen. Selbst enge Mitarbeiter sind da baff, das macht Merkel sonst nie: »Keinen lässt sie so nah an sich heran wie Andreas Mühe.« Gut möglich, dass Mühe wie 2009 Merkel für die Wahlplakate fotografieren wird, die im Bundestagswahlkampf 2013 ihr Konterfei überlebensgroß zeigen werden – und die allseitigem Vernehmen nach mit Photoshop sorgfältig bearbeitet sind, nicht nur bei der Länge der Fingernägel. Wer diese Plakate heute und vor vier Jahren miteinander vergleicht, muss das Amt einer Bundeskanzlerin für einen märchenhaften Jungbrunnen halten. Wer Angela Merkel nach manchem ihrer 14-Stunden-Tage noch einmal aus der Nähe zu sehen bekommt, weiß es besser. Keine Frage, die Bilder sind, was man »professionell geschummelt« nennen würde. Auch Angela Merkel lässt das machen, wie wohl alle ihrer Vorgänger auf die eine oder andere Art.
Dass sie eine Frau ist, hat damit wenig zu tun, wahrscheinlich gar nichts. Überhaupt kann Angela Merkel mit der politischen Überhöhung des eigenen Geschlechts wenig anfangen. Sie weiß, dass sie als erste Frau der Bundesrepublik mindestens diesen Eintrag im Geschichtsbuch sicher hat, und sie wird im achten Jahr der Kanzlerschaft immer noch von Frauen gerade darauf angesprochen. Aber als die heutige Grünen-Chefin Claudia Roth zu Beginn ihrer ersten Amtszeit sagte: »Ich erwarte von einer Kanzlerin Angela Merkel, dass sie ihr Frausein nicht versteckt«, da fehlte Angela Merkel schlicht der westdeutsche Resonanzboden, um zu verstehen. Sie habe aus der DDR ja den ganzen Kampf der Bundesrepublik um Emanzipation, Paragraph 118, männlichen Sexismus und andere große »Frauen-Themen« nicht miterlebt, sagt sie zur
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