Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)
ist die Liste derer lang, die sich als Opfer »der Merkel« sehen. Aber wurden sie in Wahrheit nicht vor allem Opfer ihrer eigenen Fehler? Ein Gründungsmitglied des geheimnisumwitterten »Andenpakts« junger (ausnahmslos männlicher) CDU -Politiker legt diesen Gedanken nahe. Er sagt heute: »Wir wussten doch gar nicht, wie man eine Frau als politische Konkurrentin attackiert. Die gab es in unserer Generation in der Jungen Union ja gar nicht.«
Unter dem Strich spricht eine Menge dafür, dass jene Herren, die Angela Merkel am Wegesrand zurückließ, in Wahrheit vorwiegend über die eigenen Füße stolperten. Merkels Beitrag bestand maximal darin, den einen oder anderen in eine Situation manövriert zu haben, in der ihm nur noch Fehler zur Auswahl blieben. Und ausgenutzt hat sie die Schwäche der Männer, ihrer Rivalen, natürlich nach Kräften und mit großem Behagen. Was die Fehler eines anderen für sie bedeuten, das scannt und wertet sie in atemberaubender Geschwindigkeit.
Dagegen hat die Theorie von »MM«, der »männermordenden Merkel«, zwar eindeutig mehr sex appeal als alle anderen, aber sie hält eben nicht stand: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Bundespräsident Christian Wulff sind an ihren Eigenarten, Verfehlungen und nicht zuletzt den Medien gescheitert, nicht an Merkel. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus wäre noch im Amt, hätte es den Reaktor-GAU von Fukushima nicht gegeben. NRW -Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat seine Wahl selbst verloren, die Bundespolitik hat es ihm nicht leicht gemacht, aber eine Intrige der Kanzlerin war die Niederlage nun wirklich nicht. Ähnlich erging es David McAllister in Niedersachsen drei Jahre später. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust hatte genug von der Politik, ein Konkurrent von Merkel war er nie, also kann er auch kein Opfer sein. Dasselbe gilt für Saarlands Ministerpräsident Peter Müller. Und Edmund Stoiber schließlich fehlten 2002 einige Tausend Stimmen, und er wäre Kanzler gewesen. Nach der Niederlage aber war seine Zeit als Kanzler in spe um, weil ein CSU -Chef so eine Chance, wenn überhaupt, nur einmal im Leben bekommt.
Bleiben Friedrich Merz, Günther Oettinger, Roland Koch und Wolfgang Schäuble. Ersterer hat seinen Posten als Unions-Fraktionschef an Angela Merkel verloren, weil das der Preis war, den Edmund Stoiber für seine Kanzlerkandidatur an die CDU -Chefin bezahlen musste. Sie sagte die CDU -Unterstützung seiner Kanzlerkandidatur zu (und hielt Wort); er sagte zu, dass die CSU -Abgeordneten nach der Wahl in jedem Fall sie zur Fraktionsvorsitzenden wählen würden. Das hatte Merz so nicht erwartet, und er fühlt sich von beiden bis heute hintergangen. Andererseits: So nüchtern Stoiber seine damalige Abwägung pro Merkel, contra Merz in seinen Memoiren beschreibt, so klar hätte Merz der Gang der Dinge sein können, als die Bundestagswahl 2002 verloren war. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger wurde – auch von Merkel – nach Brüssel in die EU-Kommission weggelobt, aber wirklich aus männermordender Machtgier? Oder weil die Baden-Württembergische CDU dessen Stuhl ohnehin fast durchgesägt hatte? Hessens Ministerpräsident Roland Koch schließlich würde sich, wenn überhaupt, nicht als Opfer von Angela Merkel sehen, sondern als eines von Manfred Kanther. Die schwarzen Spendenkassen der Hessen- CDU unter Kanther, das unsägliche Wort von den »jüdischen Erblassern«, sie hatten Kochs Weg bis an die oberste Spitze der Bundesrepublik früh verbaut – ganz ohne Zutun Merkels.
Und Wolfgang Schäuble? Er stolperte über die CDU -Spendenaffäre, und als er Bundespräsident werden wollte, hat ihn Merkel kalt blockiert. Wohl wahr. Aber auf den »badischen Preußen« Schäuble passt das Bild von den Auerhähnen, die beim eitlen Balzen abgeknallt werden, ganz und gar nicht. Bei seiner Eitelkeit ist Schäuble nicht zu packen. Angela Merkel hat ihn nicht geknackt, wenn das je ihre Absicht gewesen sein sollte. Er ist weder Vasall noch Rivale. Er ist ihr mit Abstand wichtigster Minister. Mitte 2012 waren sie beide einmal gemeinsam im Kino, im Film Ziemlich beste Freunde . »Sieht das seltsam aus, wenn wir beide dahin gehen?«. soll Merkel gefragt haben. »Nee«, soll er geantwortet haben. Und dann gingen sie also ins Kino, lachten aus vollem Halse, aber siezen sich weiterhin. Das hängt, so mutmaßt einer, der sie beide ganz gut kennt, damit zusammen, dass keiner von beiden weiß, ob
Weitere Kostenlose Bücher