Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)
und aufgeräumt. Aber wenn Berliner Profi-Fotografen die Menschen in zwei Gruppen aufteilen, die eine, die ohne großes Zutun auf Fotos gut aussieht, und die andere, die eher spröde wirkt, dann gehört die Kanzlerin in die letztere Gruppe. Denn Angela Merkel und die Kamera lieben einander nicht, sie haben eine Arbeitsbeziehung. Vermutlich hat sie am Anfang ihrer Karriere Kameras sogar »gehasst«, wie manch einer schrieb. Und als vor einigen Jahren der Conferencier sie bei einem Tag der offenen Tür im Kanzleramt fragte, was sie davon halte, so oft fotografiert zu werden, da war ihre Antwort: Sie finde es ganz gut, dass man als Kanzlerin »nicht den ganzen Tag draußen ist«. Unter dem Strich jedenfalls weiß Angela Merkel wie wohl jeder Mensch genau, welche Fotos sie von sich haben will. Und noch genauer, welche nicht.
Die Kanzlerin pflegt durchaus weibliche Eitelkeiten, weil sie die Gelegenheiten dazu hat, die Mittel und – wie sie meint – die Pflicht. Sie ist der Inbegriff von »operativer Eitelkeit«, nicht in erster Linie um der eigenen Person willen, nicht als narzisstischer Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck: zum Gewinnen von Sympathie, Glaubwürdigkeit und Zustimmung. Für Fotos zu posieren, ist nicht gerade ihre Lieblingsbeschäftigung. Aber wahr ist auch: Nach zwei Amtszeiten ist ihre Arbeitsbeziehung zur Kamera eine ziemlich professionelle. Und eine handfeste Portion Eitelkeit gehört dazu.
Um es gleich vorneweg zu sagen: Nein, dass über Angela Merkels Äußeres regelmäßig geredet und geschrieben wird, ist nicht die Gemeinheit, nicht der Machismo einer überwiegend männlichen Journalisten-Meute. Über das Äußere ihres Vorgängers Gerhard Schröder wurde mindestens so viel Tinte vergossen, beileibe nicht nur in den bunten Blättern. Als er im Brioni-Edelmantel posierte, gab es sowohl eine Mode- als auch eine handfeste Links-reden-rechts-leben-Debatte um den SPD -Kanzler. Als ihm eine obskure Imageberaterin in einer Meldung der kleinsten aller deutschen Nachrichtenagenturen nachsagte, er ließe seine Haare dunkel färben, zog der Kanzler vor Gericht. Der Glaubwürdigkeit wegen, sagten die, die ihm wohlwollten. Weil er saueitel war, sagten die anderen (und die hatten recht).
Helmut Kohl wiederum ist 1997 in vielen deutschen Blättern in Badehose an einem australischen Pool verewigt worden, als »schwarzer Riese« ( FAZ ) . Als Paparazzi der englischen Boulevard-Presse Angela Merkel 2006 im schwarzen Badeanzug ablichteten, druckte dagegen kein namhaftes deutsches Blatt das wenig vorteilhafte, von hinten geschossene Foto. Und schließlich: Wie anhaltend erregt ist über das gegelte, gestylte Äußere des später gestürzten Verteidigungs-Ministers Karl-Theodor zu Guttenberg gelästert worden, der wie ganz lange keiner mit Inszenierungen sich selbst zu erhöhen, aber auch seine politischen Ziele durchzusetzen wusste? Da hat sich keine jener Feministinnen in die Bresche geworfen, die ansonsten berechenbar die Stimme erheben, wenn es öffentlich um das Äußere Angela Merkels geht. Es hat in puncto Äußerlichkeiten also wahrlich nicht nur Nachteile, eine Politiker in zu sein. Und sei es nur in jenen (gar nicht so seltenen) Momenten, wo Angela Merkel die einzige farbig gekleidete Person inmitten einer Herde männlicher Kollegen in dunkelgrauen Anzügen ist – und allein deshalb der bunte Blickfang inmitten der Flanellmännchen.
Also: Wer in Deutschland Spitzen-Politiker sein will, bei dem zählt auch das Äußere: Stil, Kleidung, Habitus. Und es zählt, was Fotos von ihm hergeben, was er mit Fotos den Menschen von sich und seiner Arbeit zu erzählen hat. Auch Angela Merkel weiß das. Es war aber kein ganz kurzer Weg, bis sie es wusste.
Eine entscheidende Etappe begann wohl im Februar des Jahres 2000: Da erzählt der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber in der Talkshow Beckmann von seinen erwachsenen Töchtern. Die hätten ihm gesagt, Frau Merkel könne »doch viel mehr aus ihrem Typ machen«. BILD fragt tags drauf: »Braucht Angela Merkel eine neue Frisur?«, und macht, nicht faul, per Fotomontage gleich ein paar Vorschläge. Irgendwo in dieser Zeit liegt der Beginn der Wandlung; liegt der Moment, in dem manch guter (weiblicher) Rat bei Angela Merkel verfängt. Und es gibt ernst zu nehmende Beobachter in der CDU , die im Rückblick sagen: Als Angela Merkel den Kotau vor der Bedeutung von Äußerlichkeiten und modischen Zwängen gemacht habe, sei ihnen klar geworden: Die will wirklich
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