Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)
Begründung. Sie könne die immer wieder aufflammende Debatte um den »richtigen« Lebensentwurf von Frauen nicht annähernd so erregt führen wie westdeutsche Frauen einer bestimmten, ihrer Generation. Das sagt sie beileibe nicht nur über Grünen- oder SPD -Frauen, sondern auch über die Frauen-Union ihrer eigenen Partei und fragt – vermeintlich – naiv: »Kann man denn nicht auch verschiedene Lebensentwürfe schön finden?« Tatsächlich, muss man hinter jedem Argument für einen anderen Lebens- oder Familienentwurf den Vernichtungsschlag gegen die eigenen Lebensentscheidungen wittern? So ist es wohl bei »Frauen-Fragen« in Deutschland quer durch alle Schichten. Das weiß längst auch die Kanzlerin. Aber es lässt sie jedes Mal aufs Neue achselzuckend davorstehen – als würde sie immer noch über die Mauer auf den Westen schauen und die Probleme, die er sich macht, weil er manchmal keine anderen hat.
Deshalb muss man vermuten, dass noch nicht einmal die provokanteste Einzel-Entscheidung zu ihrem Äußeren ein Statement im geschlechtlichen Sinne war: ihr tief dekolletiertes Ballkleid, das sie zur Eröffnung der Osloer Oper 2008 trug. So viel Haut hatte die Kanzlerin noch nie gezeigt, nicht nur die bunten Blätter überschlugen sich. Wusste Merkel wirklich nicht, was die Bilder auslösen würden? Oder wollte sie einfach einmal sehen, dass sie etwas Derartiges auslösen kann, in Anlehnung an den Begriff der »Beredsamkeit des Körpers«, wie es das Handbuch der politischen Ikonographie nennt? Klarheit wird es darüber wohl nie geben. Gerd Langguth, Autor einer Merkel-Biographie, meint zu wissen, sie habe den Auftritt »gezielt eingesetzt«. Merkels damaliger Vize-Sprecher Thomas Steg sagte hinter vorgehaltener Hand: »Vermutlich hat sie der Hafer gestochen.« Es würde nicht wirklich zu ihr passen, aber man möchte es irgendwie gern glauben, oder?
Die hat doch bestimmt ein Problem mit Männern?
Wird Angela Merkel auf den Unterschied zwischen Männern und Frauen in der Politik angesprochen, und das wird sie häufig, dann antwortet sie gern mit einer kleinen Geschichte über Mädchen und Jungs. Die geht so: Wenn ihre Klasse zur Physikstunde ins Schullabor durfte, seien meistens die Jungen zuerst hineingestürmt und hätten ohne großes Überlegen angefangen, mit den aufgebauten Apparaturen zu hantieren. »Und nach fünf Minuten war oft die ganze Anordnung kaputt.« Die Mädchen dagegen hätten still danebengestanden und skeptisch zugeguckt, auch das Mädchen Angela.
Wer nach bald acht Jahren ihrer Kanzlerschaft über Angela Merkels Verhältnis zu den Männern in der Politik nachdenkt, der kommt an dieser Anekdote nicht vorbei. Sie liefert eine These, die kaum zu schlagen ist: Angela Merkel hat keine »Mädchen-Tricks« (oder -Tugenden) eingesetzt, um nach oben zu kommen und sich dort zu halten. Aber ihre Konkurrenten haben ganz viele »Jungens-Fehler« gemacht, jeder auf seine Art. Der Christian, der Edmund, der Friedrich, der Günther, der Jürgen, der Karl-Theodor, der Norbert, der Ole, der Peter, der Roland, der Stefan und sogar der Wolfgang. Wie in dem Physiklabor. In einem Glückwunsch zu Merkels 50. Geburtstag (2004) hat es der gewiefte CSU -Strippenzieher und später so glücklose Wirtschaftsminister Michael Glos auf den Punkt (und zugleich knapp daneben) gebracht: »Eines der Geheimnisse des Erfolges von Angela Merkel ist ihr geschickter Umgang mit eitlen Männern. Sie weiß: Auerhähne schießt man am besten beim Balzen. Angela Merkel ist eine geduldige Jägerin der balzenden Auerhähne.«
Ein typischer Glos. Richtig daran ist: Uneitel zu sein, kann eine Waffe sein; Eitelkeit dagegen eine Gefahr für den, der sie nicht im Griff hat. In die Irre führt an Glos’ Worten: Beide Sätze gelten für beide Geschlechter. Angela Merkel ist in der Tat denkbar uneitel; der derzeitige Favorit auf ihre Nachfolge aber auch: Thomas de Maizière. Ex-Umweltminister Norbert Röttgen ist eitel und gescheitert; Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ist eitel, aber noch gut im Rennen um die Führung nach Merkel.
Aber zum Kern: Hat Angela Merkel »ein Problem« mit Männern? Umgibt sie sich überwiegend nur mit Frauen, weil sie nur Frauen vertraut, dem sogenannten »girls camp«? Hat sie wirklich ein Dutzend Männer abgeknallt wie die liebestollen Auerhähne? »Ach, Angela«, soll Michael Glos einmal in einer Besprechung geseufzt haben. »Ach, Angela, wer ist dein nächstes Opfer?« Das war im Jahr 2000. Heute, 2013,
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