Angela Merkel
und Medwedew das Thema Menschenrechte angesprochen, den Krieg in Georgien kritisiert, sie hat gegenüber den chinesischen Autokraten ebenfalls das Thema Menschenrechte angesprochen, auch gegenüber dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush, den sie deutlich für das Gefangenenlager von Guantanamo kritisiert hat. Ich fühlte mich als Bürger in diesen Momenten immer sehr gut vertreten von ihr.
Angela Merkel ist auch nicht grundsätzlich schlecht in Verhandlungen. Sie hat den Plan für ein Klimaschutzpaket in der EU gut ausgehandelt, gegen den Widerstand des damaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac und vieler osteuropäischer Staaten. Sie hat beim Gipfel der G8 2007 in Heiligendamm Bush ein kleines Zugeständnis in Sachen Klimaschutz aus dem Kreuz geleiert, obwohl der sich vorher betonhart gegeben hatte. Das allerdings war Außenpolitik, wo sie es leichter hat, wie schon beschrieben. In dem Moment, wo die Klimapolitik zu einer innenpolitischen Frage wurde, war sie nicht mehr ganz so entschlossen. Deshalb lohnt sich ein kleiner Exkurs zu diesem Thema. Er zeigt, dass es in Merkels Verhalten ein Muster gibt.
Im Winter 2006 legten Wissenschaftler neue Zahlen zur Erderwärmung vor. Sie waren dramatisch. Sie waren nicht neu für Experten, aber für die breite Öffentlichkeit waren sie ein Schock. Eine Welt wurde vorstellbar, in der die Poleschmelzen, das Meer große Stücke vom Land überspült, eine Unzahl von Wirbelstürmen Städte verwüstet, die Sonne zum Feind wird, weil die Ozonschicht kaum noch Schutz bietet. Der Untergang der Welt wurde vorstellbar, so wie es Roland Emmerich in seinem Kinofilm The Day After Tomorrow gezeigt hat. Alarmstimmung brach aus.
Angela Merkel hat diese Zahlen geradezu an sich gerissen. Sie hat sofort mit diesen Zahlen Politik gemacht. Das lag nahe für sie. Als Wissenschaftlerin hat sie Vertrauen in die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung, es fällt ihr leicht, in einem wissenschaftsdominierten Feld Politik zu machen. Und sie hatte noch kein Thema für ihre Kanzlerschaft gefunden. Nun sah sie eines. Und es versprach, anders als die Reformpolitik, ein fast widerspruchsfreies Thema zu werden. Der Klimaschock saß zu der Zeit so tief, dass fast jeder einsah, es müsse etwas geschehen, auch wenn das Opfer nach sich zöge, zum Beispiel ein gebremstes Wachstum. Es gab damals keinen nennenswerten Widerstand gegen Merkels Klimapolitik, nicht mal in der SPD. Nach ihren Verhandlungserfolgen in Brüssel und Heiligendamm wurde sie als Klimakönigin gefeiert. Sie schien die Idee ihrer Kanzlerschaft gefunden, ihren Eintrag ins Geschichtsbuch gesichert zu haben: die Klimakanzlerin.
Doch 2008 kletterten die Energiepreise. Rohöl, Gas, alles wurde teurer. Die Bürger sorgten sich nicht so sehr ums Klima, sie sorgten sich um ihren Lebensstandard. Was tat Merkel? Sie schaffte sich als Klimakanzlerin ab, so wie sie sich als Reformpolitikerin abgeschafft hatte. Sieließ zu, dass das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung unter dem versprochenen Ziel blieb. Sie setzte sich dafür ein, dass die Hersteller deutscher Limousinen nicht ganz so hart von Umweltauflagen aus Brüssel getroffen wurden. Aber am deutlichsten war ihr Schweigen. Sie wollte in der Öffentlichkeit nicht mehr als Klimakanzlerin wahrgenommen werden, weil Klimaschutz nicht mehr eine durchweg positive Konnotation in der Bevölkerung hatte. Klimaschutz war zur Last geworden, es wirkte nicht mehr die Angst vor einem stürmischen Morgen, es wirkte die Angst vor einem ärmlichen Jetzt. Die Bedrohung hatte sich allerdings nicht verändert. Es geht weiter mit der Erderwärmung, aber mit einem reduzierten Widerstand der Bundeskanzlerin.
Das Muster ihrer Politik sieht also so aus: Merkel hält sich lange bedeckt, greift dann nach dem Thema, das sich gerade besonders anbietet, und lässt es fallen, wenn es schwierig wird. So kann man durchkommen, aber so kann man keine große Kanzlerschaft begründen. Großes Regieren ist oft auch Regieren gegen das Volk oder mächtige Teile des Volkes. Das können auch Minderheiten sein, die es verstehen, sich in den Medien Gehör zu verschaffen und damit das Bild von einer Stimmung prägen.
Willy Brandt hat die Ostpolitik durchgesetzt, obwohl ihn die Union und viele Medien dafür angefeindet haben. Helmut Schmidt hat die Nachrüstung betrieben, obwohl es eine Friedensbewegung gab, die weit über die Demonstranten hinausragte und die aus einer Friedensseligkeit der Deutschen nach den beiden
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