Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
schwanken hin und her. Es ist, als würde ich mit verrenkten Armen einen Fahnenmast balancieren. Ich warte, bis ich sie stabil halten kann, und trete dann einen Schritt vor.
Verzweifelt hoffe ich, dass sie im Zwielicht einigermaßen echt aussehen, und trete einen Beistelltisch mit einer überraschend heilen Vase um. Das unerwartete Getöse zieht die Aufmerksamkeit der Gang auf mich.
Beim Anblick meiner dunklen Silhouette sind einen Mo ment lang alle still. Bei allem, was heilig und nicht heilig ist – ich hoffe, ich wirke wie ein Todesengel. Bei guter Beleuchtung würden sie ein dürres junges Mädchen sehen, das versucht, zwei übergroße Flügel hinter seinem Rücken auszubalancieren. Doch es ist dunkel, und hoffentlich sehen sie stattdessen etwas, das ihnen das Blut in den Adern gefrieren lässt.
»Was haben wir denn hier?«, frage ich in einem Ton, der, wie ich hoffe, nach mörderischer Belustigung klingt. »Michael, Gabriel, kommt und seht euch das an!«, rufe ich nach hinten, als wären noch mehr von meiner Sorte anwesend. Michael und Gabriel sind die einzigen Engelnamen, die mir einfallen. »Die Affen scheinen zu glauben, sie könn ten einen von uns angreifen.«
Die Männer erstarren. Alle Augen sind auf mich gerichtet.
In diesem Moment, während ich den Atem anhalte, rollen die Möglichkeiten wie eine Roulettescheibe durch den Raum.
Dann passiert etwas wirklich Schlimmes.
Mein rechter Flügel schwankt und rutscht ein Stück nach unten. In der Eile, ihn wieder richtig zu drapieren und ihn besser zu fassen zu bekommen, bringe ich ihn erst recht zum Wackeln. Er wippt in einer Wellenbewegung auf und ab und erregt noch mehr Aufmerksamkeit.
In dem langen Augenblick, in dem die Anwesenden registrieren, was da gerade passiert, sehe ich, wie der Engel die Augen zum Himmel verdreht, wie ein Teenager, der gerade Zeuge von etwas unglaublich Uncoolem geworden ist. Manche Leute sind wirklich undankbar.
Der Engel bricht das Schweigen als Erster. Er wuchtet den Wagen in die Höhe, schwingt ihn im Kreis und lässt ihn wie einen Bowlingball in die drei Typen vor ihm krachen.
Die anderen drei stürzen sich auf mich.
Ich lasse meine Flügel fallen und positioniere mich hastig links von ihnen. Bei mehreren Gegnern ist der Trick, nicht gegen alle gleichzeitig zu kämpfen, denn anders als im Film stellen sie sich nicht brav in einer Reihe auf, um dich zusammenzuschlagen, sondern legen es darauf an, sich wie ein Rudel Wölfe alle gleichzeitig auf dich stürzen.
Ich tänzle im Halbkreis um sie herum, bis der Typ, der mir am nächsten ist, den anderen im Weg steht. Nur eine Sekunde und schon sprinten sie um ihren Kumpel herum, doch diese Sekunde reicht mir, um ihm so richtig schön in den Schritt zu treten. Er klappt zusammen, und ich würde ihm nur allzu gerne mein Knie ins Gesicht rammen, aber seine Kumpels haben Vorrang.
Ich tänzle auf die andere Seite des zusammengekrümmten Typen, sodass die anderen beiden nacheinander um ihn herum müssen. Ich reiße ihm den Fuß weg, sodass er aus dem Gleichgewicht kommt und mit voller Wucht auf Muskelshirt Nummer zwei fällt. Der Kerl, der noch übrig ist, stürzt sich auf mich. Wir rollen über den Boden und ringen darum, wer oben ist.
Am Ende bleibe ich auf dem Rücken liegen. Er wiegt ungefähr fünfzig Kilo mehr als ich, aber das hier ist eine Position, die ich im Training wieder und wieder geübt habe.
Für gewöhnlich kämpfen Männer anders gegen Frauen, als sie es bei einem männlichen Gegner tun würden. Die überwältigende Mehrheit der Kämpfe beginnt damit, dass der Mann die Frau hinterrücks attackiert, beide quasi unmittelbar darauf zu Boden gehen und die Frau unter dem Mann zum Liegen kommt. Dementsprechend muss eine gute Kämpferin wissen, wie man auf dem Rücken liegend kämpft.
Während wir miteinander ringen, ziehe ich mein Bein unter ihm hervor, um die Hebelwirkung auszunutzen und ihn in den Klammergriff zu nehmen. Ich drehe meine Hüften, sodass er zur Seite kippt.
Er landet auf dem Rücken. Bevor er sich wieder orientieren kann, stoße ich ihm die Ferse in den Unterleib.
Blitzschnell bin ich wieder auf den Beinen. Bevor er sich erholen kann, trete ich ihm gegen den Kopf. Ich trete so fest zu, dass er hin und her geschleudert wird.
»Nicht übel.« Der Engel steht hinter seinem dämlichen Wagen im Mondlicht und beobachtet die Szene.
Um ihn herum die stöhnenden Körper der Eindringlinge. Einige von ihnen liegen so regungslos da, dass ich nicht sagen
Weitere Kostenlose Bücher