Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Ee
Vom Netzwerk:
sondern von den Verletzungen auf seinem Rücken. Beim Gedanken an seine verlorenen Flügel sind meine Hände sanfter als sonst.
    »Wie heißt du?«, frage ich.
    Ich brauche es nicht zu wissen, ja eigentlich will ich es gar nicht wissen. Ihm einen Namen zu geben, wäre so, als stünden wir auf derselben Seite, was nie der Fall sein wird. Es wäre so, als würde ich zugeben, dass wir Freunde werden können. Aber das ist unmöglich. Es ist sinnlos, sich mit seinem Scharfrichter anzufreunden.
    »Raffe.«
    Ich habe ihn nur nach seinem Namen gefragt, um ihn von der Tatsache abzulenken, dass er von nun an seine Füße statt seiner Flügel benutzen muss. Trotzdem fühlt es sich irgendwie richtig an, zu wissen, wie er heißt. »Raffe«, wiederhole ich langsam. »Gefällt mir, wie das klingt.«
    Obwohl der versteinerte Ausdruck nicht aus seinem Gesicht verschwindet, wird sein Blick weich, als würde er lächeln. Aus irgendeinem Grund steigt mir Hitze ins Gesicht.
    Ich räuspere mich, um die Anspannung zu lösen. »Raffe – steht das für ›reichlich abgelaufene Füße‹?« Das entlockt ihm ein Lächeln. Und wenn er lächelt, sieht er aus wie jemand, den man tatsächlich gerne kennenlernen würde. Ein überirdisch schöner Junge, von dem ein Mädchen nur träu men kann.
    Nur, dass er leider kein Junge ist. Und er ist ein bisschen zu überirdisch. Abgesehen davon ist besagtes Mädchen weit davon entfernt, von irgendetwas anderem zu träumen als von Essen, von einem Unterschlupf und davon, dass ihre Familie in Sicherheit ist.
    Ich streiche ein paarmal fest über die Kompresse, um sicherzugehen, dass sie sich nicht löst. Er atmet scharf ein. Ob vor Schmerz oder vor Vergnügen, weiß ich nicht. Ich achte darauf, meinen Blick gesenkt zu halten, mich nur auf das zu konzentrieren, was ich tun muss.
    »Willst du nicht wissen, wie ich heiße?« Ich könnte mich ohrfeigen. Das klingt, als würde ich flirten. Aber das tue ich natürlich nicht. Das könnte ich gar nicht. Na ja, zumindest habe ich nicht dabei gekichert.
    »Ich weiß, wie du heißt.« Er macht den Ton meiner Mutter perfekt nach: »Penryn Young, öffne sofort die Tür!«
    »Wow, ziemlich gut. Du klingst genau wie sie.«
    »Du kennst doch bestimmt das alte Sprichwort, in dem es heißt, den richtigen Namen von jemandem zu kennen, verleihe Macht.«
    »Ist das denn wahr?«
    »Es kann wahr sein. Vor allem zwischen den Spezies.«
    »Wieso hast du mir deinen Namen dann verraten?«
    Er lehnt sich zurück. Unbekümmert und in schönster Bad-Boy-Manier zuckt er die Achseln.
    »Wie nennt dich jemand, der deinen Namen nicht kennt?«
    Es herrscht kurzes Schweigen, bevor er antwortet: »Den Zorn Gottes.«
    Um zu verhindern, dass mir die Hände zittern, nehme ich sie in einer langsamen, kontrollierten Bewegung von seinem Fuß. Mir wird erst jetzt klar, dass ein heimlicher Be obachter glauben könnte, ich würde dem Engel huldigen. Er sitzt auf einem Stuhl, während ich mit gesenktem Blick zu seinen Füßen knie. Ich hole tief Luft, straffe die Schultern und blicke ihm direkt in die Augen.
    »Ich habe keine Angst vor dir, vor deinesgleichen oder vor eurem Gott.«
    Ein Teil von mir will sich in Erwartung eines Blitzschlags ducken, der bestimmt gleich auf mich herabfährt. Doch nichts passiert. Nicht mal ein dramatischer Donner ist in dem Gewitter da draußen zu hören. Deswegen habe ich aber nicht weniger Angst. Ich bin eine Ameise auf dem Schlachtfeld der Götter. Wo kaum Raum zum Überleben ist, ist auch kein Raum für Stolz oder das eigene Ego. Aber ich kann mir nicht helfen. Was glauben die, wer sie sind? Wir mögen Ameisen sein, aber dieses Feld ist unser Zuhause und wir haben jedes Recht, darin zu leben.
    Der Ausdruck auf seinem Gesicht ändert sich kaum merklich, bevor es sich wieder auf seine gottähnliche Weise verschließt. Ich bin mir nicht sicher, was das bedeutet, aber ich weiß, dass meine geisteskranke Äußerung eine Wirkung auf ihn hatte, auch wenn sie ihn vielleicht nur amüsiert hat.
    »Daran habe ich keinen Zweifel, Penryn.« Er sagt mei nen Namen, als würde er etwas ganz Neues schmecken, das er über seine Zunge gleiten lässt, um zu sehen, ob es ihm gefällt. In der Art, wie er ihn ausspricht, liegt eine Intimität, bei der ich mich am liebsten winden würde.
    Lässig werfe ich ihm die übrig gebliebenen Blisterpackungen in den Schoß. »Jetzt weißt du ja, wie du sie benutzen musst. Willkommen in meiner Welt.«
    Ich rede mir ein, dass ich keine Angst habe, und um

Weitere Kostenlose Bücher