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Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Ee
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Ich habe keine Brüder, ich habe nie gesehen, wie sich ein Mann auszieht. Da ist Hingucken doch ein ganz natürlicher Impuls, oder nicht?
    Anstatt ihn anzugaffen starre ich also etwas verloren auf die Riemchensandalen. Sie sind genauso scharlachrot wie das Kleid, als hätte ihr voriger Besitzer eins von beidem maßanfertigen lassen, damit beides zusammenpasst. Die hohen, dünnen Absätze sollen übereinandergeschlagene Beine betonen. »Damit kann ich nicht rennen.«
    »Musst du auch nicht, wenn alles nach Plan läuft.«
    »Na super. Weil ja immer alles genau nach Plan läuft.«
    »Wenn das hier schiefgeht, hilft dir weglaufen auch nichts mehr.«
    »Tja, leider kann ich in den Schuhen aber auch nicht kämpfen.«
    »Ich habe dich hierhergebracht, also werde ich dich beschützen.«
    Ich bin versucht, ihn daran zu erinnern, dass ich diejenige war, die ihn wie ein totgefahrenes Tier von der Straße gezerrt hat. »Ist das wirklich der einzige Weg?«
    »Ja.«
    Ich seufze. Ich schlüpfe in die Strumpfhose und die nutzlosen Riemchensandalen und hoffe, dass ich mir beim Versuch, darin zu laufen, nicht den Knöchel breche. Dann ziehe ich das Sweatshirt aus und klappe die Sonnenblende herunter, um in den Spiegel zu sehen. Das Kleid ist genauso eng, wie ich dachte, trotzdem sieht es besser aus als vermutet.
    Mein Haar und mein Gesicht hingegen würden besser zu einem schäbigen Bademantel passen. Ich fahre mir mit den Fingern durchs Haar. Es ist fettig und verfilzt. Meine Lippen sind rissig und spröde, meine Wangen von der Sonne verbrannt. Mein Kiefer ist mangofarben von den Blutergüssen, die Boden mir während unseres Kampfs zugefügt hat. Wenigstens haben die gefrorenen Erbsen die Schwellung im Zaum gehalten.
    »Hier«, sagt Raffe und öffnet seinen Rucksack. »Ich wusste nicht, was du brauchst, also habe ich einfach ein paar Sachen aus dem Schränkchen im Badezimmer mitgenommen.« Bevor er mir den Rucksack reicht, zieht er ein Smokingjackett daraus hervor.
    Ich beobachte, wie er das Jackett anstarrt und frage mich, woran er wohl denkt, dass er so düster dreinschaut. Dann wende ich mich ab, um selbst in dem Rucksack zu kramen.
    Ich finde einen Kamm, mit dem ich mir durchs Haar fahre. Es ist so fettig, dass es sich leichter stylen lässt, aber besonders wild bin ich nicht auf den Look. Da ist auch ein bisschen Creme, die ich mir ins Gesicht, auf die Lippen und die Hände reibe. Ich würde die Hautschüppchen gerne von meinen Lippen rubbeln, aber aus Erfahrung weiß ich, dass sie dann bluten, also lasse ich sie in Ruhe.
    Ich trage Lippenstift und Mascara auf. Der Lippenstift ist neonpink und die Wimperntusche blau. Nicht unbedingt die Farben, die ich sonst so verwende, aber zu dem engen Kleid sieht das bestimmt richtig schön nuttig aus, und ich schätze, das ist genau das, was wir anstreben. Lidschatten gibt es nicht, also schmiere ich mir für einen extra sinnlichen Akzent einfach ein bisschen Mascara um die Augen und Foundation auf meinen Kiefer. Die Stellen, wo ich das Make-up am meisten brauche, sind am empfindlichsten. Ich hoffe sehr, dass sich das alles lohnt.
    Als ich fertig bin, merke ich, dass mir die Jungs auf der Motorhaube beim Schminken zugeschaut haben. Ich blicke zu Raffe hinüber, der damit beschäftigt ist, sich aus seinem Rucksack, den Flügeln und irgendwelchen Riemen eine seltsame Vorrichtung zusammenzubasteln.
    »Was tust du da?«
    »Ich mache …« Er blickt auf und sieht mich.
    Ich weiß nicht, ob er mitgekriegt hat, dass ich mein Sweatshirt ausgezogen habe, aber ich schätze, er war zu beschäftigt, denn er mustert mich überrascht. Seine Pupillen weiten und seine Lippen öffnen sich, als er für einen Moment vergisst, seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten. Ich könnte schwören, er hört ein paar Herzschläge lang auf zu atmen.
    »Ich will, dass es aussieht, als hätte ich Flügel auf dem Rücken«, sagt er leise. Seine Worte klingen rau und samtig wie eine persönliche Botschaft. Wie ein zärtliches Kompliment.
    Ich beiße mir auf die Lippen, um mir zu vergegenwärtigen, dass er in Wirklichkeit einfach nur meine Frage beantwortet hat. Schließlich kann er nichts dafür, dass seine Stimme so hypnotisierend sexy ist.
    »Wenn sie mich für einen Menschen halten, lassen sie mich nicht dahin, wo ich hinmuss.« Er senkt den Blick und schnallt einen Riemen um die Basis einer seiner Schwingen.
    Dann schlüpft er in den leeren Rucksack mit den daraufgeschnallten Flügeln. »Hilf mir, das Jackett

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