Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Ee
Vom Netzwerk:
nach ein paar abschätzigen Blicken Platz. Wieder kontrolliere ich die Türen, um sicherzugehen, dass sie auch wirklich verriegelt sind. Wobei die Verriegelung wohl kein Hindernis wäre, sollte jemand beschließen, die Fenster einzuschlagen.
    Gott sei Dank sind wir nicht die Einzigen, die im Auto unterwegs sind. Eine kurze Schlange in einem Heer von Menschen wartet vor dem Checkpoint. Offensichtlich wollen sie alle den Checkpoint passieren. Ich fahre so weit wie möglich vor und halte am Ende der Schlange an.
    Auffallend viele Frauen warten darauf, durchgewinkt zu werden. Sie sehen sauber aus und sind wie für eine Party gekleidet. Frauen mit hohen Absätzen stehen zwischen zerlumpten Männern, und jeder tut so, als sei das völlig normal.
    Der Checkpoint ist nichts weiter als eine Lücke in einem durch Kettengelenke verbundenen Zaun, der den Bankendistrikt von den Straßen drumherum abtrennt. Bei allem, was von dem Viertel noch übrig ist, wäre es eigentlich kein Problem, den Bereich dauerhaft abzugrenzen, doch dieser Zaun ist provisorisch und besteht aus Aufstellpaneelen, die miteinander verbunden, jedoch nicht in den Asphalt eingelassen sind.
    Es bräuchte nicht viel, um die Absperrung umzustoßen und einfach darüber hinwegzumarschieren. Trotzdem respektiert die Menge die Grenze, als wäre sie elektrisch geladen.
    Dann sehe ich, dass sie das in gewissem Sinn auch ist.
    Menschliche Patrouillen schreiten auf der anderen Seite den Zaun ab, und sobald sie bemerken, dass ihnen jemand zu nahe kommt, stecken sie Metallstangen durch die Zwischenräume. Wenn jemand von dem Stab erwischt wird, sprüht es blaue Funken, und ein lautes Surren ertönt. Sie benutzen eine Art Viehtreiber, um die Leute fernzuhalten. Bis auf einen sind alle Treiber Männer mit grimmigen Ge sichtern, auf denen sich keinerlei Emotion abzeichnen, wäh rend sie patrouillieren und gelegentlich die Stange durch den Zaun rammen.
    Der einzige weibliche Treiber ist meine Mutter.
    Als ich sie sehe, schlage ich meinen Kopf gegen das Lenkrad. Leider fühle ich mich dadurch nicht besser.
    »Was ist los?«, fragt Raffe.
    »Meine Mutter ist hier.«
    »Ist das ein Problem?«
    »Vermutlich.« Als sich die Schlange bewegt, fahre ich ein paar Meter weiter vor.
    Meine Mutter geht ihre Arbeit emotionaler an als ihre Mitstreiter. Sie streckt ihren Arm so weit aus, wie der Zaun es zulässt, um möglichst vielen der Umstehenden einen elektrischen Schlag zu versetzen. Einmal kichert sie sogar, als sie einen Mann erwischt und ihn so lange mit dem Stab berührt, bis dieser außer Reichweite taumelt. Es sieht für alle so aus, als würde es ihr großen Spaß machen, Menschen Schmerzen zu bereiten.
    Allem Anschein zum Trotz sehe ich, dass sich meine Mutter fürchtet. Wer sie nicht kennt, könnte meinen, ihre Begeisterung rühre von Bösartigkeit her, dabei könnte es gut sein, dass sie ihre Opfer nicht mal als Menschen erkennt.
    Wahrscheinlich glaubt sie, sie sei in einem Käfig in der Hölle gefangen, umgeben von Monstern. Vielleicht, weil sie für ihren Pakt mit dem Teufel bezahlen muss. Oder auch einfach nur, weil sich die Welt gegen sie verschworen hat. Vermutlich glaubt sie, die Leute, die sich dem Zaun nähern, seien tatsächlich verkleidete Monster, die ihr in ihrem Käfig nachstellen. Und wundersamerweise hat ihr jemand eine Waffe in die Hand gedrückt, um die Monster in Schach zu halten. Also nutzt sie die seltene Chance und wehrt sich.
    »Wie ist sie hier gelandet?«, frage ich mich laut.
    Ihre Wangen sind dreckig verschmiert, ihre Haare fettig und die Kleider an Ellbogen und Knien zerrissen. Sie sieht aus, als hätte sie auf dem Boden geschlafen. Trotzdem wirkt sie gesund und gut genährt, ihre Wangen haben eine rosige Farbe.
    »Jeder von der Straße landet irgendwann hier, wenn er nicht vorher getötet wird.«
    »Wie denn?«
    »Da bin ich überfragt. Ihr Menschen hattet schon immer einen seltsamen Herdentrieb, der euch früher oder später zusammenführt. Und dies hier ist die größte Herde weit und breit.«
    »Stadt. Nicht Herde. Städte sind für Menschen, Herden gibt es nur bei Tieren.«
    Statt einer Antwort schnaubt er rüde.
    Wahrscheinlich ist es wirklich besser, sie hierzulassen, statt sie mit in den Horst zu nehmen. Mit meiner Mutter an meiner Seite werde ich mich wohl kaum versteckt halten können. Das könnte Paige das Leben kosten. Wenn Mom so drauf ist wie jetzt, kann ich nicht viel tun, um ihre Qualen zu lindern. Die Leute werden irgendwann lernen,

Weitere Kostenlose Bücher