Angelglass (German Edition)
von Prag durchführen. Das weißt du doch.«
Lang wirft mir einen Blick zu, sagt jedoch nichts. Neben Finn befinden sich drei oder vier weitere Generäle sowie Sir Anthony, Percy Tremayne, Doktor Dee und Edward Kelley im Saal.
»Dann können wir jetzt beginnen«, sagt Lang. »Exzellenz, die Stadt befindet sich in Aufruhr. Die angeblich von diesem Engel stammende Botschaft, die Euch über Doktor Dee und Meister Kelley mitgeteilt wurde, hat sich in der Bevölkerung herumgesprochen. Uns wurde berichtet, dass mindestens ein Dutzend Juden getötet wurde. Der Pöbel hat sich auf dem Altstädter Ring versammelt und ignoriert das Ausgehverbot. Hauptmann Finn, wie ist die Lage vor den Toren des Gettos?«
»Betrüblich«, erwidert Finn. »Meine Soldaten haben das Gebiet geräumt, aber es ist unmöglich, die Straßen zu kontrollieren. Wir brauchen mehr Männer.«
»Wir können es nicht riskieren, die Schlosswachen noch weiter zu dezimieren«, wirft einer der anderen Soldaten ein. »Falls sich der Pöbel entschließt, das Schloss anzugreifen, brauchen wir so viele Wachen, wie wir aufbringen können.«
»Aber wir müssen das Getto beschützen!«, sagt Finn aufgebracht. »Wenn der Pöbel dort eindringt …«
Lang hebt die Hand und bittet um Ruhe. »Sir Anthony«, sagt er, »könnt Ihr und Eure Kompanie helfen?«
Sir Anthony rutscht nervös auf seinem Stuhl herum und blickt Percy an. »Bei allem gebotenen Respekt, Kammerherr, dies ist nicht unsere Schlacht. Aber vermutlich kann ich meine Männer bitten, das Schloss im Auge zu behalten. Somit könnten ein paar der Palastwachen abgezogen und in die Stadt geschickt werden.«
Der Hauptmann der Schlosswache runzelt die Stirn. Er will seine Männer nicht in Gefahr bringen. »Meine Männer sind jetzt seit zwölf Stunden im Dienst, Kammerherr«, gibt Finn zu bedenken. »Ich muss sie bald ruhen lassen.«
»Man könnte darüber nachdenken, den Pöbel gewähren zu lassen«, sagt Lang mit unbekümmerter Miene. »Ihn sogar zu unterstützen.«
»Ein Pogrom?«, sagt Rudolf nach einem Augenblick des Schweigens. »Das Getto niederbrennen? Ist das klug, Philipp? Sind nicht auch die Juden meine Untertanen?«
»Kindermörder«, grunzt der Hauptmann der Wache. »Lasst sie brennen.«
»Der Kaiser hat vollkommen recht«, sagt Lang. »Die Juden gehören zur Bevölkerung wie alle anderen auch. Ich befürchte nur, dass der Schaden für das Reich umso größer wird, je länger das Chaos anhält. Sollten wir vielleicht neue Truppen aus Wien anfordern?«
»Nein«, erwidert Rudolf tonlos. »Ich werde meine Familie nicht um Hilfe anbetteln. Ich muss das Problem selbst lösen. Geht jetzt alle. Ich muss eine Weile nachdenken.«
Als wir alle schweigend den Saal verlassen, sehe ich, wie Kelley und Percy einen unmissverständlichen Blick austauschen.
»Und inzwischen brennt Prag vor sich hin«, sagt Lang leise, als sich die Türen hinter uns schließen und Rudolf in den Schatten zurückbleibt.
Mit einem Gefühl der Machtlosigkeit laufe ich die nächsten zwei Stunden in den kalten, mit Teppichen, Stroh oder nackten Steinen ausgelegten Gängen des Schlosses umher. Finn hat abgelehnt, mich zurück zum Getto zu bringen. Er hält es für zu gefährlich. Aber ich muss unbedingt wissen, ob es Hannah gut geht.
Als ich in einen hell erleuchteten Korridor trete, sehe ich eine Gestalt, deren Kopf von einer Kapuze bedeckt ist, mit aller Kraft an einem Türgriff rütteln. Es ist die Tür zu Langs Gemächern, wie mir alsbald klar wird. Was geht hier vor? Die Gestalt blickt plötzlich auf und fährt erschrocken zusammen, als sie mich erblickt. Dann wird die Kapuze zurückgeworfen, und nun bin ich es, der erschrickt. Es ist Hannah.
Schnell laufe ich zu ihr. »Was um Himmels willen tust du hier? Wie bist du aus dem Getto entkommen?«
Hannah ist völlig außer Atem, die Angst spiegelt sich in ihren Augen wider. »Ich musste einfach zum Schloss kommen. Ich habe dich gesucht.«
»Aber das hier sind die Gemächer des Kammerherrn.«
Beinahe erstaunt betrachtet sie die Tür. »Tatsächlich? Ich wusste nicht, wo dein Zimmer liegt. Ich habe es überall versucht. Ich war verzweifelt.«
»Was ist geschehen, Hannah? Was ist los?«
»Du musst mit mir kommen«, fleht sie mich an. »Zum Getto. Irgendjemand muss sie aufhalten.«
»Aufhalten? Wen? Den Pöbel? Greifen sie das Getto an?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein, nicht den Pöbel. Rabbi Löw und seine Gehilfen. Sie erschaffen den Golem.«
Hannah weigert sich, mir
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