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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Barnett
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Erst links, dann rechts. Nein.
    Löw ist fassungslos. »Welch Verrat ist das? Bin ich etwa nicht der Oberste Rabbi des Gettos? Bitte, ich flehe dich an, mein Volk stirbt. Das kann nicht sein. Wer hier steht Gott näher als Rabbi Löw?«
    Der Golem hebt den Kopf und dreht sich. Zu mir.
    Hannah bleibt die Luft weg. »Poutnik, er sieht dich an«, stößt sie atemlos hervor.
    Löw runzelt die Stirn. »Wie? Kann das sein? Meister Poutnik, der Spiegel von Prag?«
    Er kommt zu mir gehinkt. »Was ist das für ein Schwindel? Was habt Ihr getan?«
    »Nichts, Rabbi«, erwidere ich flüsternd. »Ich verstehe das nicht.«
    »Befehlt ihm etwas«, sagt Löw. »Befehlt ihm, etwas zu tun.«
    Ich räuspere mich. »Äh, geh!«, sage ich.
    Der Golem kommt einen Schritt auf uns zu. Die Männer, die hinter Hannah und mir stehen, lockern ihren Griff und weichen an die Wand zurück.
    »Unglaublich«, stöhnt Löw. »Ihr habt die Herrschaft über den Golem, hmm? Gebt ihm noch einen Befehl.«
    »Bring mir die Kerze«, sage ich und zeige auf einen Kerzenständer in der Ecke des Raums. Der Golem dreht sich unbeholfen um und durchquert den Raum mit einem einzigen großen Schritt. Mit seiner riesigen Hand fasst er nach dem Kerzenhalter. Dann steht er plötzlich vor mir und hält mir seine Beute entgegen.
    »Ich kann nicht gerade behaupten, dass ich das verstehe«, sagt Löw. »Aber der Weg ist klar. Befehlt dem Golem, das Getto zu beschützen und die Schuldigen zu suchen, die meinem Volk Schaden zugefügt haben.«
    »Nein!«, ruft Hannah. »Poutnik, das darfst du nicht. Es wird nur zu Tod und Chaos führen. Es muss einen anderen Weg geben.«
    »Es gibt keinen anderen Weg!«, faucht Löw. »Warum willst du sie schonen, Hannah? Was verbindet dich mit ihnen?«
    Ich suche in Hannahs Gesicht nach einer Antwort. Einen langen Augenblick sieht sie mir in die Augen, dann senkt sie den Kopf. »Tu, was du tun musst«, sagt sie.
    Ich sehe erst Löw, dann wieder den Golem an, der mir noch immer die brennende Kerze entgegenhält. Vielleicht hat Hannah recht, vielleicht wird alles nur zu noch mehr Tod und Schrecken führen. Aber ich kann den alten Mann auf dem Altstädter Ring nicht vergessen; vom Pöbel getreten und zu Tode geprügelt durch eine beiläufig hingeworfene Lüge von Dee und Kelley. Welchen Plan Kelley, Percy und Carlo Fantom auch immer ausgeheckt haben – ganz bestimmt haben sie nicht damit gerechnet, es mit dem Golem aufnehmen zu müssen.
    »Geh!«, sage ich mit ruhiger Stimme. »Geh und suche die Wahrheit. Räche das Getto. Rette die Unschuldigen.«
    Der Golem nickt, zieht dann den Kopf ein und bricht durch die Tür des Vorzimmers. Dann hören wir, wie er die Eingangstür aufreißt und die dunklen Straßen des Gettos betritt.
    »O Gott«, sagt Hannah mit sanfter Stimme. »Was haben wir getan?«

Kapitel 15 Die Liebenden
    »Wie soll ich betrogen werden?«
    »Die Liebenden. Das Unvermögen zu erkennen … die wahre Natur zu erkennen …«
    Abrupt erwache ich. Schlaf, so wie andere ihn kennen, hat sich bei mir bisher nicht eingestellt; stattdessen nur die unzusammenhängenden Bilder, die jedes Mal durch mein Bewusstsein paradieren, wenn ich versuche mich auszuruhen. Eine Spielkarte fällt auf einen zugedeckten Tisch … dann ist sie verschwunden. Das Bild eines nackten, sich umarmenden Liebespaares verblasst, und das Wort Betrug bleibt in der Luft hängen.
    Es ist früh. Hinter den unverdeckten Fenstern zeichnet sich der rosafarbene Sonnenaufgang am Himmel ab. Ich liege in unbequemer Stellung auf dem Sofa. Fast die ganze Nacht habe ich wach gelegen und über meine nächsten Schritte nachgedacht. Noch habe ich niemandem von meiner Entdeckung des Eindringlings – Jakob – erzählt, nicht einmal Karla. Ihr Zögern, auf meine Informationen zu reagieren, hat mich skeptisch im Hinblick auf ihre Motive gemacht. Wenn John und Cody tatsächlich planen, das Ölsymposium in die Luft zu sprengen, könnten viele Menschen sterben. Doch Karla scheint nicht sonderlich besorgt zu sein.
    Ich trete ans Fenster, gehe aber gleich in Deckung, als ich zwei Gestalten im Garten erblicke. Vorsichtig schiele ich hinaus. Es sind Cody und John. Haben sie bemerkt, dass ich das flache Grab im Garten entdeckt habe? Bin ich aufgeflogen? Ich kann ihre leisen, aufgeregten Stimmen hören. Cody ist offenbar wütend.
    »Ich wünschte bloß, wir könnten es den anderen erzählen, John. Ich verstehe nicht, wozu wir abwarten müssen. Jetzt sind es nur noch drei Tage. Ich fürchte, wir

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