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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Barnett
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einer Hauptverkehrsstraße entfernt, der ›Karlova‹, wie mir das Straßenschild verrät. Ich lasse mir die exotischen Namen auf der Zunge zergehen, während Padraig die Tür öffnet, hinter der uns Wärme, dicke Luft und Stimmengewirr, Gläserklirren und die Aussicht auf einen Drink erwarten. Noch als wir in der Tür stehen, dröhnt uns eine Stimme entgegen. »Padraig! Das wurde aber auch Zeit! Schaff deinen Allerwertesten hinter die Bar und versorg die guten Leute mit Erfrischungen.«
    Zustimmendes Gemurmel erklingt von den Gästen, die sich an der Eichentheke aufgereiht haben und mit Geldscheinen vor der Nase des einzigen Barmanns herumwedeln, einem großen, glatzköpfigen und schwitzenden Mann mit Kinnbart. Padraig winkt erst ihm, dann uns zu und verschwindet in einem Hinterzimmer, aus dem er nach einer Sekunde, mit einer weißen Schürze um den Bauch, wieder herauskommt und sich händereibend dem ersten Gast zuwendet.
    Jenny streift ihren Pelzmantel ab und hängt ihn an einen verzierten hölzernen Garderobenständer. In der Kneipe ist es warm und laut, und auch ich entledige mich meiner Seemannsjacke.
    »Komm«, sagt Jenny und bahnt sich einen Weg zur Theke. »Ich schätze, die Drinks gehen heute Abend auf mich.«
    Als wir schließlich an die Theke herankommen, hat Padraig seine Gäste bereits bedient und serviert uns zwei Gläser Guinness. »Die gehen aufs Haus«, sagt er und macht eine Handbewegung, die andeuten soll, dass er das Geld in die Kasse legt. »Wenn’s nachher etwas ruhiger wird, frage ich Noel wegen des Jobs. Okay, Pooty?«
    Ich nicke und nehme einen Schluck von meinem Stout-Bier. Jenny ist in den Anblick des Kleeblatts versunken, das Padraig fachmännisch in den Schaum ihres Biers gezaubert hat, bevor sie schließlich selbst etwas trinkt. »Glaubst du, es könnte dir gefallen, im Haus zu wohnen?«, fragt sie, ohne mich anzusehen.
    »Aber ja, ihr seid alle sehr nett. Ich kann euch gar nicht genug danken.«
    Sie blickt mich an. »Ich war nicht auf Komplimente aus. Ich meine es ganz ernst. Glaubst du, es gefällt dir, mit uns zu leben?«
    Ich bin etwas verlegen. »Ich weiß nicht«, erwidere ich wahrheitsgemäß. »Ich fühle mich besser, wenn ich ein bisschen Geld verdiene und meinen Teil beisteuern kann. Und wenn mein Gedächtnis erst einmal zurückkehrt … Aber momentan kann ich wohl nur versuchen, mit allen Leuten auszukommen.«
    »Magst du uns alle?«, bohrt sie ein bisschen tiefer.
    »Ihr seid alle sehr … nett. Petey ist ein lockerer Typ, Padraig kann gar nicht genug für die anderen tun, du warst sehr hilfsbereit, und Cody … na ja, Cody scheint okay zu sein.«
    »Lass dich von ihm nicht einschüchtern«, sagt sie und lächelt mich an. »Er verteidigt bloß sein Territorium.«
    Ich schütte das restliche Bier in mich hinein. Jenny gibt Padraig ein Zeichen, uns zwei neue zu geben, für die jetzt sie bezahlt. »Was meinst du damit – er verteidigt sein Territorium?«
    Sie lacht und berührt leicht meinen Arm. »Du weißt schon. Karla. Das ist der Punkt. Und sagen wir mal so: Wahrscheinlich gefällt es ihm nicht allzu sehr, wenn da ein gut aussehender junger Mann wie du im Haus herumschwirrt.«
    Gut aussehend? Zum ersten Mal, seitdem ich heute Morgen in diesem Graben aufgewacht bin, betrachte ich mein Spiegelbild. Zwischen dem M und dem L in dem Bushmills-Schriftzug auf dem leicht verzerrenden Spiegel hinter der Bar begutachte ich mein Äußeres: dünne, etwas längere Haare, ein schmales Gesicht, funkelnde Augen. Augen, denen man trauen kann, möchte ich meinen. Und dennoch Augen, die nichts verraten. Keine Fenster zur Seele. »Karla ist wirklich sehr … nett«, sage ich abwesend.
    »Du bist nicht der Erste, der das so sieht«, sagt Jenny. »Dummerweise lässt Cody niemanden näher an sie heran. Typisch kalifornische Unsicherheit, nehme ich an. Entweder das, oder …«
    »Oder er ist ein Arschloch«, erwidere ich, starre weiter auf mein Spiegelbild und erinnere mich daran, was Karla während des Abendessens zu ihm gesagt hat. Jenny fängt an zu prusten und verspritzt überall ihr Bier. »Ja«, stimmt sie mir zu und wischt sich den Mund ab. »Ja. Entweder das, oder er ist ein Arschloch. Weißt du was, Pooty? Ich glaube, es gefällt mir in deiner Gesellschaft.«
    Nachdem wir ein weiteres Glas geleert haben, geht Jenny zur Toilette. Ich sehe ihr nach und werde mir plötzlich Padraigs bewusst, der sich über die Theke beugt. »Amüsierst du dich?«, fragt er lächelnd.
    »Ja danke, Padraig.

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