Angelglass (German Edition)
wollen, Mann: Vom Himmel gefallern, will Pooty ein’ ballern?«
Alle fangen an zu lachen. Padraig sinkt auf die Knie, hält sich den Bauch und ringt nach Luft. Jenny lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück und fängt an zu heulen. Karla kippt vornüber auf den Tisch, wirft Weingläser um und versucht krampfhaft, Peteys Worte zu wiederholen. »Vom … Himmel … gefallern …«
Petey sitzt reglos da und starrt mich weiter an. Ich sehe den Joint an, nehme schließlich einen Zug und atme den warmen Rauch ein. Dann fange ich an zu husten. Eine Sekunde später bin ich völlig benebelt, grinse Petey an und gebe ihm den Joint zurück. »Ich glaube ja, Petey«, erwidere ich lachend. »Ich glaube, ich möchte ein’ ballern.« Alle brechen wieder in Gelächter aus, und sogar Petey gestattet sich ein vorsichtiges Grinsen. Plötzlich wacht Cody auf und reibt sich die Augen. »Was zum Teufel ist in euch Idioten gefahren … Oh, nein. Ihr habt euch ohne mich zugedröhnt, ihr Bastarde …«
Die kühle Prager Abendluft ist überaus ernüchternd. Eine Stunde später kämpfe ich gemeinsam mit Padraig und Jenny gegen einen heftigen Wind an, der uns von der Moldau entgegenbläst. Jenny geht in der Mitte, hat sich bei uns eingehakt und die Hände in die Taschen eines riesigen Pelzmantels geschoben, den sie sich übergeworfen hat – »Natürlich kein echter Pelz«, wie sie mir versichert. Ich trage eine Seemannsjacke, die mir Cody freundlicherweise und – wie es scheint – ohne zu zögern, geliehen hat, wenngleich ich glaube, dass es auf Karlas Veranlassung geschehen ist. Padraig erzählt uns eine Geschichte, einen Witz über irgendeinen Fußballer aus einem vom Krieg zerrütteten Land: »… und seine arme alte Mutter sagt am Telefon: ›Ja, lieber Sohn, wir freuen uns sehr über deinen Erfolg und dass du mit deiner Mannschaft den FA Cup und die Meisterschaft gewonnen hast, die Champions League und was sonst noch alles, aber hast du dabei auch nur mal eine Minute an uns gedacht? Deine Schwester wurde auf der Straße vergewaltigt, unser Haus wurde abgebrannt und ausgeplündert, und dein alter Vater wurde erschossen, als er versucht hat, den Mob aufzuhalten, der mit unseren Sachen davonlief.‹ Der Typ bricht völlig zusammen und sagt: ›O Gott, Mutter, das ist ja schrecklich. Hier sitze ich, denke nur an meinen Erfolg und meine Karriere, und meine eigene Familie muss all diese grauenhaften Erniedrigungen durchmachen.‹ Es entsteht eine kleine Pause und schließlich erwidert die Alte: ›Nun ja, mein Sohn, es war schließlich deine verdammte Idee, dass wir alle zusammen mit dir nach Manchester ziehen …‹«
Jenny fängt an zu lachen und versetzt Padraig einen spielerischen Schlag. Ich vermute, dass sie aus Manchester stammt. Ich kann mit dem Witz nichts anfangen, lache aber trotzdem mit den beiden. Nicht, weil ich ihn verstanden habe, sondern eher aus einem Gefühl der Kameradschaft. Nachdem sie Padraig ein paarmal auf den Arm geschlagen hat, bis er in gespieltem Entsetzen »Aua, aua! Arm kaputt!«, ruft, hakt sie sich wieder bei mir ein. Eine Weile laufen wir schweigend weiter und überqueren schließlich die Karlsbrücke. Ein paar wenige Touristen haben sich neben den starr dreinblickenden Heiligenfiguren niedergelassen; ein paar Herumtreiber und Bettler trinken Wodka und versuchen, sich vor dem beißenden Wind zu schützen, der über den breiten, glitzernden Fluss dringt und wie eine dahinströmende Armee aus rachsüchtigen Geistern über die Brücke fegt.
»Achte auf die Lampe!«, ruft Jenny.
»Ach Jenny, du lebst doch jetzt lange genug in Prag, dass du das nicht jedes Mal sagen musst, wenn wir über die Karlsbrücke laufen«, seufzt Padraig. Er dreht sich zu mir und deutet auf ein kleines elektrisches Licht, das auf der Malá-Strana-Seite an einer Hauswand am Ufer angebracht ist. Neben der Lampe steht eine kleine Marienfigur. »Siehst du das Licht da vorne? Sagt dir das irgendwas?«
Ich suche in der weiten weißen Tundra meines Gedächtnisses nach einer Erinnerung. Nichts. Ich schüttele den Kopf. »Die Legende besagt, dass du innerhalb eines Jahres stirbst, wenn die Lampe ausgeht, während du über die Brücke läufst.«
Einen kurzen Moment lang flackert das Licht, geht aber nicht aus. »Los«, sagt Padraig. »Es ist verdammt kalt, und ich werde mich noch verspäten. Kommt ihr jetzt weiter oder nicht?«
Das
Leopold Bloom
liegt abseits in einer dunklen, mit Kopfsteinpflaster überzogenen Gasse, nur wenige Schritte von
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