Angelglass (German Edition)
ich möchte nicht, dass England unsere Geschäfte hier in Prag näher untersucht. Elisabeths Meisterspion Walsingham würde uns sicher aufspüren, wenngleich unsere Geschäfte nur der Bezahlung gelten, die wir von Schah Abbas bekommen. Die politischen Fragen langweilen mich, offen gestanden …«
›Doktor Dee …‹ – der Name erscheint mir wie eine Luftblase, die zur Oberfläche eines dunklen Sees emporsteigt. Ich habe … eigentlich keine Erinnerung an Doktor Dee, mehr eine Ahnung, die ich dennoch nicht aus dem Dunklen hervorziehen kann. Lärm und helles Licht sind mit diesen Bildern vermischt. »Ich scheine Kenntnis von Doktor Dee zu haben, wenngleich nur vage.«
»Ein eigenartiger Mann«, sagt Sir Anthony. »Ich traf ihn einmal am Hofe Elisabeths. Man sagt, er sei ein Magier, der mittels eines Zauberspiegels mit Engeln spräche. Sie offenbarten ihm vergessene oder verbotene Werke. Firlefanz! Ein Mann von wenig munterem Gemüt, wie ich mich erinnere, doch mit einer seltsamen Macht ausgestattet, die ich nicht näher benennen könnte. Vermutlich geht man ihm am besten aus dem Weg.«
»Ein Scharlatan«, insistiert Percy. »Redet durch magische Spiegel mit den Engeln? Pah! Ein Märchen. Elisabeth lässt sich zum Narren halten, behaupte ich. Wenngleich ich sicher bin, dass Rudolf ihn mit offenen Armen empfängt. Dieses Paar ist füreinander geschaffen.«
»Es wird behauptet, er habe einen toten Mann zum Leben wiedererweckt und ihm befohlen zu verraten, wo er bei Lebzeiten seine Schätze versteckt hielt«, sagt Sir Anthony grübelnd. »Ich habe auf meinen Reisen schon viele seltsame Dinge gesehen, Percy. Ich würde Doktor John Dee lieber nicht in die Quere kommen.«
Percy grunzt verächtlich und macht sich wieder über seine Hühnerknochen her. Sir Anthony beugt sich zu mir und sagt mit ruhiger Stimme: »Es gibt noch jemanden, dem ich in diesem Schloss nicht über den Weg trauen würde, junger Mann. Erinnert Ihr Euch an Lang, den Kammerherrn, der uns auf dem Schlosshof empfangen hat?«
Ich nicke.
»Hütet Euch vor ihm. Er hat etwas von einer Schlange oder einem Falken an sich. Erzählt ihm nichts und glaubt nichts von dem, was er Euch sagt. Habt Ihr verstanden?«
Ich nicke erneut. An der Tür ist plötzlich ein heftiges Pochen zu hören. Ein Diener mit schmutzigem Gesicht und zerrissenen Kleidern kommt herein und flüstert Sir Anthony etwas ins Ohr. Der Edelmann zuckt mit den Schultern. »Rudolf wünscht eine private Audienz mit Euch. Ihr sollt zuerst zu Philipp Lang gebracht werden. Vergesst nicht, was ich gesagt habe. Haltet Augen und Ohren offen und den Mund möglichst geschlossen.«
Ich werfe mir den geliehenen Mantel über und folge dem Boten. An der Tür drehe ich mich noch einmal um und erwidere für einen Moment Sir Anthonys Blick.
»Traut niemandem«, sagt er kurz angebunden und wendet sich wieder Eintopf und Bier zu.
»Ah, das Findelkind«, sagt Philipp Lang. Er hat sich in seinem Arbeitszimmer auf einem großen Stuhl zurückgelehnt und raucht eine Tonpfeife. Die Wände des Raums sind mit Büchern bestückt; ein kleiner Schreibtisch steht vor einem Fenster, das die Sicht auf Gärten und Lauben freigibt. Die Luft draußen ist vom Qualm der dahindriftenden Holzfeuer vernebelt. Anders als in den anderen kleinen Räumen des Schlosses ist der Fußboden nicht mit Stroh, sondern einem kostbaren Teppich bedeckt. »Tretet ein, tretet ein«, sagt er fließend in der Sprache Sir Anthonys und seiner Männer.
Als der Diener verschwindet, schließe ich die Tür hinter ihm und ziehe Percys Umhang fester um mich zusammen. Lang betrachtet mich mit einem abschätzigen und aufmerksamen Blick.
»Seine Exzellenz wünscht, dass Ihr ihm beim Abendessen Gesellschaft leistet. Er möchte von all dem geheimen und verborgenen Wissen erfahren, das in Eurem Findlingshirn versteckt liegt«, sagt er und macht dabei eine herablassende Handbewegung. »Ich hoffe, Ihr werdet ihn nicht enttäuschen.«
»Ich fürchte, ich habe keine …« Plötzlich erinnere ich mich an Sir Anthonys Ermahnungen und verstumme. Lang neigt den Kopf zur Seite und hält seinen undurchdringlichen Blick weiter auf mich gerichtet.
»… passende Kleidung«, fahre ich zögernd fort. »Kleidung für das Abendessen mit dem Kaiser. Ich habe nur diese geliehenen Sachen, die kaum richtig passen.«
Lang steht auf und blickt aus dem Fenster. »Ah, ja. Nackt in einem Graben gefunden. Vom Himmel gefallen. Wir werden Euch mit standesgemäßer Kleidung für das
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