Angelglass (German Edition)
Nette Kneipe, in der du arbeitest.«
»Schön, dass es dir hier gefällt. Ich habe nämlich eben mit Noel gesprochen. Kannst du morgen anfangen?«
Ich richte mich gerade auf und sehe ihn an. »Wie jetzt? Hier anfangen? Eine Arbeit?«
»Nun ja, du müsstest Gläser einsammeln und irgendwelches Zeug aus dem Keller hochschleppen und solche Sachen. Aber davon könntest du deine Miete bezahlen und dir Cody vom Hals halten. Willst du’s machen?«
Ich strecke meine Hand über die Theke aus und lege sie Padraig auf die Schulter. »Aber sicher. Vielen Dank, Padraig. Nur eine Sache: Ich hab keinen Pass oder Papiere oder so was. Ist das vielleicht ein Problem?«
»Ach nein, überhaupt nicht. Noel ist ein guter Kerl. Ich hab ihm die Situation ein bisschen erklärt, und das reicht ihm. Er wird dir keine großen Fragen stellen. Dann kann ich ihm also sagen, dass du morgen um zehn mit mir hierherkommst? Soll ich?«
»Ja! Und nochmals vielen Dank, Padraig.«
Er beugt sich ein Stückchen weiter über die Theke und blickt in Richtung Damentoilette. »Ach, und noch was.«
Ich folge seinem Blick und entdecke Jenny, die beim Näherkommen ihren Rock richtet. »Also Jenny, ja? Streng dich bei ihr nicht zu sehr an.«
Ich wittere eine Warnung. »Was? Du und sie …?«
Er lacht sein typisches Padraig-Lachen. »Aber nein, Mann. Nicht ich, nicht Cody, nicht Petey. Das ist nicht ihr Ding. Sie spielt im anderen Team, wenn du verstehst, was ich meine.« Er winkt und wendet sich einer Gruppe von Deutschen zu, als Jenny wieder auf ihren Barhocker klettert.
»Na, worüber habt ihr Jungs denn so geredet?«, fragt sie und sieht zu Padraig hinüber.
»Ich hab hier einen Job bekommen«, sage ich voller Stolz.
»Gut gemacht!«, erwidert sie, berührt meinen Arm und drückt mir einen zarten Kuss auf die Wange. Ich kann ihren Duft spüren: Gewürze und Muskat. »Na komm, es war ein langer Tag. Lass uns nach Hause gehen.«
Wir schlüpfen wieder in Jacke und Mantel, winken Padraig zu und machen uns auf den Weg in Richtung Karlsbrücke. Der Wind ist jetzt noch schärfer und kälter als auf dem Hinweg. Jenny kuschelt sich an mich und hakt sich wieder unter. Während wir über die Brücke gehen, zeigt sie auf die Denkmäler: die Heiligen Vitus, Augustinus und Wenzel sowie Nikolaus von Tolentino. Jenny ist ein wenig betrunken und schwankt. Als wir auf der Malá-Strana-Seite ankommen, bleibt sie stehen und blickt zum Himmel.
»Sieh mal die Sterne!«, sagt sie staunend. Es stimmt, gleich oberhalb des Lichts der Straßenlaternen glänzen und funkeln Millionen Sterne in der Dunkelheit. Während sie weiter bei mir eingehakt ist, geht sie ein paar Schritte rückwärts und lehnt sich dann an das Brückengeländer. Ich stehe direkt vor ihr.
»Ich glaube, es wird mir gefallen, wenn du bei uns wohnst, Pooty«, flüstert sie.
Ich sehe ihr in die Augen, kann jedoch in ihrer mandelförmigen, dunklen Tiefe nichts erkennen. Dann berühren ihre kalten Lippen meinen Mund, und sie küsst mich. Verunsichert erwidere ich ihren Kuss und schließe dabei die Augen.
Im letzten Augenblick sehe ich, wie die Lampe an der Hauswand hinter Jenny kurz aufflackert und dann für einen winzigen Moment verlischt.
Kapitel 4 Der Spiegel von Prag
»Nun, das lief ja überaus zufriedenstellend«, äußert Percy, während er auf einem Stück Huhn herumkaut. »Der alte Narr hat mehr als genug Dinge, die er in seine Kunstkammer stopfen kann.«
Laute Rufe und Gekicher ertönen von Sir Anthonys Männern, die sich an improvisierten Tischen in dem zugigen, aus nacktem Fels bestehenden Saal versammelt haben, in dem sie für die Dauer ihres Aufenthaltes untergebracht sind. Sir Anthony schmunzelt, zieht eine Augenbraue hoch und blickt Percy an. »Das klingt ja ziemlich unflätig«, sagt er und wischt die Reste seines Eintopfs mit einem Stück Hefebrot vom Teller.
»Ihr wisst sehr wohl, was ich meine«, seufzt Percy und trinkt einen Schluck Wein. »Bäh, dieser Wein aus Jerez braucht mehr Süße. Ich spreche von Rudolfs berühmtem Schatz- und Kuriositätenkabinett.«
Sir Anthony riecht an seinem Krug Wein und leert ihn neben seinem groben Holzstuhl auf den mit Schilfrohr bedeckten Boden. »Gebt mir Bier. Wie ist es?«
Ein breitschultriger Soldat mit flacher Nase zieht eine Grimasse und reicht einen steinernen Krug über den Tisch. »Mit Lupinen gewürzt, Sir. Wozu weiß nur Gott allein.«
Sir Anthony legt den Kopf in den Nacken, nimmt einen ordentlichen Schluck Bier und schluckt ihn mit
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