Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
habe ihm aber ein schönes Lied gewidmet: „Ein irrer Typ“ – und das war er ja damals wirklich für mich.
■ Pillen, Zäpfchen und eine Ente
Die Schule war vorbei, und ich fuhr nun jeden Morgen zum Strausberger Platz in die Apotheke „Berliner Bär“. Eigentlich wollte ich ja ganz dringend Sängerin werden, aber so einfach ließ sich dieser Wunsch nicht in die Tat umsetzen. Erst einmal sollte ich einen anständigen Beruf lernen. Meine Kinderheim-Freundin Myriam hatte in einer Privat-Apotheke – ja, so was gab es damals auch – angefangen zu arbeiten und ging auf die Abendschule, um das Abitur zu machen. Das gefiel mir, das wollte ich auch. Ihr Chef erklärte sich einverstanden, mich auszubilden. Doch da hatte ich die Rechnung ohne meinen Vater gemacht, der damals Bezirksarzt von Berlin war. Er wollte seine Tochter in einer staatlichen Apotheke sehen. Na gut, so kam ich eben in die Apotheke „Berliner Bär“ am Strausberger Platz. Meine Chefin Maria Michels war Bezirksapothekerin, und ich war Lehrling in der Bezirksdepotapotheke von Berlin.
Ich war ein kleiner Feger und hatte sofort meinen Spitznamen weg: Kugelblitz. Aber zunächst fand ich es in „meiner“ Apotheke langweilig. Ich saß stundenlang im Keller und musste Arzneifläschchen abstauben. Na ja, das gehörte eben auch dazu. Dann lernte ich Pillen drehen, Salben rühren und Zäpfchen gießen. Das hat mir schon mehr Spaß gemacht. Ich hatte ja durch meine Mama ein medizinisches Grundverständnis erlangt, und so fand ich das alles durchaus interessant. Am liebsten stand ich aber in der Offizin – so heißt in der Apotheke der Verkaufsraum – und verkaufte frei erhältliche Arzneimittel. Da hatte ich Publikumskontakt, unddas war meine Welt. Allerdings war ich zu dieser Zeit noch Stift – heute nennt man das Azubi – und hatte noch viel zu lernen.
Eines Tages – die Apotheke war übervoll – durfte ich wieder verkaufen. Es war Dezember und ein Patient fragte mich etwas verlegen, wo er eine Ente bekommen könnte. Fröhlich erklärte ich ihm, dass an der nächsten Ecke ein großer Geflügelladen zu finden sei. Der Mann wurde knallrot. Zum Glück sprang eine Kollegin ein, die ihm das Gefäß, in dem man in Krankenhäusern den Urin der männlichen Patienten auffing, verkaufte. Die Geschichte ging wie ein Lauffeuer durch alle Apotheken Berlins und wird, wie man mir sagt, auch heute noch gern erzählt.
So nett es dort war, mir stand der Kopf unverändert nach Bühne. Wenn wir Mittagspause hatten, sang ich meinen Kollegen die neuesten Schlager vor. Allerdings habe ich mich dafür hinter einem Schrank versteckt. Meinem Publikum so direkt in die Augen zu schauen, war mir damals peinlich. Um mein Künstlerdasein anzuschieben, versuchte ich mein Glück auch bei der Konzert- und Gastspieldirektion. Die hatte über die Zeitung nach jungen Talenten gesucht, und so ging ich mit 16 Jahren todesmutig zum Vorsingen und präsentierte aus dem Musical „Annie get your gun“ das wunderschöne Lied „Man sagt Verliebtsein, das wäre wundervoll“. Das war leider nicht der Beginn einer großen Karriere, und so ging ich weiter brav in meine Apotheke. Jede freie Minute widmete ich der Musik, auch meine Pausen.
Eines Tages trat Udo Jürgens im Friedrichstadtpalast auf. Ich habe all mein Geld zusammengekratzt und bin natürlich mit meiner Freundin Margrit hingegangen. Wir waren vor Aufregung fix und fertig. Findig, wie ich in Sachen Musik war, hatte ich herausbekommen, dass unser Schwarm im Hotel Berolina wohnte. Das lag nurwenige Minuten von der Apotheke entfernt. Ich nutzte wieder meine Mittagspause, um schnell zum Hotel hinüber zu laufen und vielleicht einen Blick auf ihn zu erhaschen. Ich hatte meinen weißen Kittel an, meine Strumpfhose war kaputt und in den Haaren hatte ich Kamillenblütentee – aber das war mir in diesem Moment völlig wurscht. Vor dem Hotel standen Mädchen über Mädchen, eins schöner als das andere. Udo kam tatsächlich hinaus und verteilte Autogramme. Wir kreischten nicht weniger als heute die Fans bei Tokio Hotel. Dann wollte er wieder in Haus zurück, ich hatte aber noch gar kein Autogramm. Irgendwie muss ich so traurig geguckt haben, dass er mich mit in das Hotel nahm. Da stand ich dann, neben ihm . Er legte mir die Hand auf die Schulter und all die Schönen draußen sahen mich durch die Glasscheibe und haben mich wahrscheinlich glühend beneidet.
Ich habe trotz ständiger Ebbe im Portemonnaie fast alle großen Konzerte von
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