Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
Schauspieler zu uns, und ich habe sie begeistert bedient.
An den Wochenenden tourten wir quer durch die DDR. Inzwischen hatten wir uns von Peter Hanisch und seiner Sängerin getrennt. Ein neuer Bandname musste her, wir nannten uns fortan Medoc . Heute weiß ich, dass das eine der bekanntesten Weinbauregionen der Welt ist. Damals gefiel uns einfach der Klang des Wortes. Es hörte sich ausländisch und interessant an, alle konnten sich den Namen gut merken. Wir sprachen den Namen einfach Deutsch aus. Zur Band gehörten neben mir unser Sänger Christian Schmidt, Olaf Wegener an der Gitarre, Peter Müller am Schlagzeug und anfangs Willi Becker, dann Michael Arnold am Bass. Außerdem „Zicke“ Zieger an der Trompete, Rainer Stricker an der Posaune und Detlev Klingenberg am Saxofon. Unser Repertoire wurde nach und nach anspruchsvoller. Zunächst spielten wir alles hoch und runter, was damals angesagt war. Da wir keine Noten kaufen konnten – es gab sie eben einfach nicht bei uns – haben wir die Songs auf Tonband aufgenommen und so die Harmonien rausgehört. Das war ein schwieriges Unterfangen, insbesondere bei Bands wie Vanilla fudge oder Collosseum . Wir spielten die Stones nach, die Beatles , die Hollies . Aber das Besondere an unserer Band war, dass Christian nach wie vor alles sang, was wir von Joe Cocker kannten und ich viele Janis Joplin-Titel. Dazu spielte unser Gitarrist Olaf Wegener wie Jimi Hendrix und sah obendrein so aus. Olaf wurde später bekannt durch seine abenteuerliche Flucht mit dem Schlauchboot über die Ostsee, zusammen mit seinem Freund, dem Gitarristen Eberhard Klunker. Beide gründeten in Westberlin die Band Windminister .
Medoc wurde schnell zum Geheimtipp. Bald spielten wir nicht mehr nur im „Jochen-Weigert-Club“, es ging auch raus in die weite Welt. So weit die Welt eben damals für uns war. Wir spielten von Rostock bis Suhl, vonFrankfurt/Oder bis Wernigerode. Und überall rockten wir vor vollen Sälen. Ich glaube, ich habe in fast allen Kulturhäusern und Tanzschuppen gespielt, die es damals im Osten gab. In einigen Häusern jagten wir erst einmal die Hühner von der Bühne, aber das war Rock’n’Roll. Obwohl wir in den Medien überhaupt nicht vorkamen, kannte man uns zur eigenen Verwunderung überall. Die Band mit dem Joe-Cocker-Sänger und der kleinen Janis-Joplin-Röhre war in aller Munde. Wenn wir nach drei Tagen wieder nach Hause kamen, konnte ich nicht mehr sprechen. Die Veranstaltungen dauerten meist fünf Stunden, in denen ich mein Tasteninstrument bearbeitete und dazu aus voller Kehle sang. Dazu wurde natürlich sowohl im Saal als auch auf der Bühne kräftig gequalmt. Ich immer mittendrin. Rauchen musste sein, ich wollte ja meinen Musikanten ebenbürtig sein und nicht als Weichei dastehen. Allerdings habe ich vor und während der Veranstaltungen nie Alkohol getrunken. Anfangs schon, bis zu dem Tag als wir in Zwickau im Lindenhof auftreten sollten. Die Band baute die Anlage auf, ich wurde von zwei Typen zum Schnäpschen eingeladen. Irgendwann war das Maß wohl voll. Ich saß auf der Bühne am Flügel und wusste nicht mehr, wie „The letter“, eigentlich von The Box Tops , aber wir spielten natürlich die Cocker-Version, anfing. Dummerweise hat die Nummer zu Beginn ein kurzes Klaviersolo, was mein Part war. Ich stierte auf die Tasten und wartete auf eine göttliche Eingebung. Die kam aber nicht. Es passierte überhaupt nichts mehr. Die Band musste den Rest des Abends ohne Pianistin über die Bühne bringen. Darüber habe ich mich am nächsten Tag wahnsinnig geärgert. Es war doch für mich das Größte auf der Welt, auf der Bühne zu stehen und Musik zu machen. Das hatte ich mir an diesem Tag gründlich vergeigt, nur weil ich nicht rechtzeitig „nein“ gesagt hatte. Mit einer mittleren Alkoholvergiftung ging es mir zusätzlich hundeelend.Der Alkohol und das schlechte Gewissen forderten ihren Tribut.
Das war ein Schlüsselerlebnis. Ich habe seitdem nie mehr vor oder während einer Veranstaltung oder einem Theaterauftritt Alkohol getrunken. Hinterher schon. Nach den „Muggen“ ging es ja meist wieder nach Berlin oder schon in die nächste Stadt. Oft machten wir an einer Raststätte Pause, besonders gern in Köckern oder Freienhufen. Freitags- oder Samstagsnacht konnte man sicher sein, irgendeine andere Band zu treffen. Dann ging es hoch her. Ab 24 Uhr schenkten die zwar offiziell keinen Alkohol mehr aus, aber ich erinnere mich, dass der Kellner in Freienhufen mir jedes
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