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Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)

Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)

Titel: Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Mann
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Weltstars im Friedrichstadtpalast besucht. Besonders begeistert war ich von Gilbert Becaud, der völlig zu Recht „Monsieur 100.000 Volt“ genannt wurde. Der Friedrichstadtpalast tobte. Ich stand nach dem Konzert mit Margrit und unzähligen anderen stundenlang vor dem Bühneneingang, um mein Idol leibhaftig zu sehen. Er winkte uns aus einem Fenster zu und wurde dann wahrscheinlich durch einen geheimen Gang nach draußen gebracht. Aber seine Musiker kamen und gaben Autogramme und nahmen uns mit ins Hotel „Unter den Linden“. Wir waren natürlich anständig und haben mit denen nur geplaudert. Dem Gitarristen gab ich aber meine Adresse in der Hoffnung, doch noch ein Autogramm von Gilbert zu bekommen. Er hat es mir tatsächlich geschickt. Das war für mich natürlich der helle Wahnsinn. Ein weltberühmter Sänger hat mir, der kleenen Lütten aus Berlin-Buch, ein Autogramm geschickt.Irgendwie war mir, als hätte ein neues Leben begonnen. Noch heute liegt seine Unterschrift sicher verwahrt in meinem Schrank.
    Donnerstags und sonntags gingen wir nun immer in den Saalbau Friedrichshain. Wir, das waren meine Schulfreundin Margrit, die attraktive Iris und ich. Dort spielte das Manfred-Lindenberg-Sextett aus dem später das Baptett Berlin wurde. Mir hat die Band wahnsinnig gut gefallen. Sie machten nicht nur einseitig Tanzmusik, sondern rockten und jazzten richtig los. Ich verliebte mich sofort unsterblich in den Saxofonisten Konrad „Konny“ Körner. Wenn er „Flamingo“ von Earl Bostic spielte, war ich das glücklichste Mädchen der Welt. Iris dagegen hatte es auf den Sänger abgesehen, einen knuffigen Typen mit schwarzen Locken, der so richtig „die Sau raus lassen“, aber auch herrlich schnulzig singen konnte – Achim Mentzel. Die beiden waren später ein paar Jahre verheiratet. Daran war ich nicht ganz unschuldig, hatte ich ihnen doch hin und wieder meine erste kleine Wohnung zum besseren Kennenlernen überlassen.
    Die Band spielte von 19 bis 24 Uhr zum Tanz, und wenn sie danach ihre Instrumente einpackte, setzte ich mich an den Flügel und gab das zum Besten, was ich gelernt hatte. Konny Körner riet mir, zur Musikschule Friedrichshain zu gehen und dort eine Aufnahmeprüfung zu machen. Das habe ich beherzigt und wurde als einziges Mädchen für das Fach Klavier angenommen. Auf der Musikschule Friedrichshain konnte man Musik studieren, ohne die auf der Hochschule obligaten Fächer Marxismus-Leninismus oder Russisch zum Berufsmusiker ausgebildet werden. Man konzentrierte sich ganz und gar auf die Musik. Wir hatten sehr gute Lehrer. Mein Klavierlehrer Günther Wenzel hatte wohl alle bedeutenden Jazz- und Rockpianisten der DDR unter seinen Fittichen. Meine Mitschüler hießen Uli Gumpert, Ulli Swillms, Franz Bartzsch, Toni Krahl, Fritz Puppel, um nur einigezu nennen. Jeder DDR-Musikant und die Rockfans von damals wissen, von wem ich rede. Wenzel war ein sehr guter Lehrer, hatte aber nicht immer Lust zu unterrichten. So kam es schon mal vor, dass wir die Unterrichtsstunde einfach ins „Espresso“, einem Cafe in der Karl-Marx-Allee, verlegten. Da saßen dann schon die Schüler, die vor mir dran waren. Ich weiß bis heute nicht, wie ich nach diesen Treffen den Weg nach Berlin-Buch geschafft habe. Als einziges Mädchen musste ich natürlich zeigen, dass ich einen Stiefel vertrage und das war damals kein Wein! Da hieß es dann gleich: „Ein Bier und einen Korn und das gleich noch mal von vorn.“ Trotz alledem habe ich später eine ganz ordentliche Prüfung abgelegt und wurde Sängerin und Pianistin der „Sonderklasse“.
    Mein Unterricht fand immer samstags statt, in der Woche arbeitete ich in der Apotheke, damals in der im Hedwigskrankenhaus. Die Chefin Schwester Felicia war eine lebenslustige Nonne. Wir bildeten ein nettes Team, in dem ich mich wohlfühlte. Schwester Felicia brachte mir bei, wie man Eierlikör herstellt. Zu meinen Kolleginnen gehörte auch Hanna Hildebrandt, die Schwester von Regine Hildebrandts Ehemann Jörg. Auch ihre Schwester Annette arbeitete eine Zeit lang bei uns. Sie erwähnt mich in ihrem Buch „Don’t Worry: Aus dem Leben eines Mauerkindes“ und beschreibt mich als „kluge und sympathische Frau, die wie eine fremde Sonne Vitalität und Lebensfreude“ ausstrahle. Ich war damals zwanzig Jahre alt und staune, dass ich einen so tollen Eindruck hinterlassen habe.

■ Es geht los!
    Mein Leben spielte sich also zwischen Berlin-Buch, der Apotheke im Hedwigskrankenhaus, der Musikschule

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