Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
(jedenfalls in der einschlägigen Presse), dass die Ausbürgerung der „richtige Schritt unserer Regierung“ war. Leider gab es auch in der Unterhaltungskunst einige Kollegen, die sich da nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben. Allerdings weiß ich aber auch, dass viele unter Druck gesetzt wurden. Versucht hat man das auch bei uns: Wir waren von unserer Tournee kaum zurückgekehrt, als wir ins Ministerium für Kultur bestellt wurden. Erst saßen wir im Büro einer sehr netten Dame, die uns freundlich zu verstehen gab, dass es für unsere Karriere nicht förderlich sei, auf unserem Standpunkt zu beharren. Unsere Petition gegen die Ausbürgerung Biermanns war inzwischen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht worden. Wie ich hörte, hatte man zuerst versucht, sie dem Neuen Deutschland zu übergeben. Dort hatte man sich geweigert, das Papier anzunehmen. Also landete sie im Westen. Nachdem die Dame uns einige Zeit bearbeitet hatte, kam ein Herr dazu, der dann mit mir in ein anderes Zimmer ging. Dort redete er in verständnisvollem Ton auf mich ein und machte auch kein Licht an, als es langsam dunkel wurde. Auf diese Weise schafft man eine sehr vertrauliche Atmosphäre, aber ich ließ mich nicht beirren.
Das war nicht der letzte Versuch, Einfluss auf uns zu nehmen. Das Komitee für Unterhaltungskunst, bei dem Leute arbeiteten, die Kulturwissenschaften studiert hatten, aber auch ehemalige Künstler tätig waren, nahm ebenfalls Kontakt auf. Später wurde Gisela Steineckert Präsidentin des Komitee, doch 1976 hieß der Chef Peter Czerny. Er bestellte Uschi und mich zu sich und versuchte uns erneut dazu zu bewegen, unsere Unterschriftzurückzunehmen. Unsere vorherige Verabredung lautete jedoch, uns auf keinen Fall darauf einzulassen.
Danach bekam ich Tag und Nacht fast stündlich Anrufe. Man legte mir immer deutlicher nahe, ich solle mich von der Unterschrift distanzieren. Dazu hatte ich aber absolut keine Lust. Ich hab gebetsmühlenartig wiederholt, dass ich bei meiner Entscheidung, bei meiner Unterschrift, völlig nüchtern und mir bewusst gewesen war, was ich tat. Entnervt nahmen wir zur Kenntnis, dass viele unserer Veranstaltungen abgesagt wurden. Wir wussten nicht so recht, wie es weitergehen sollte.
Ich hätte ja einen Ausreiseantrag stellen können, um zu meiner Mutter nach Westberlin zu gehen, aber ich wollte mit meinen Leuten weiter Musik machen. Meine Autoren saßen nun mal in der DDR, und auch meine Musikanten. Ich war 27 Jahre alt und in der DDR-Musikszene voll etabliert. Ich wollte einfach zu Hause bleiben, bei meinen Kollegen und bei meinem Publikum. Aus politischen Gründen bin ich jedenfalls nicht geblieben. Viele der Unterzeichner hatten inzwischen Ausreiseanträge gestellt. Nina Hagen wollte nur noch weg. Sie war inzwischen auch viel zu schräg für die verknöcherten Kulturfunktionäre. Nina gehörte raus in die Welt. In der DDR wäre sie auf Dauer eingegangen wie eine Primel. Dass dies der richtige Schritt war, zeigt ihre beispiellose Weltkarriere.
Das Komitee nervte mich so, dass ich mir Rat bei Manfred Krug holte. Er saß gerade zusammen mit Jurek Becker in seiner Küche, als ich zu ihm kam und offenbarte mir, dass er auch gehen würde. Krug riet mir, einen Brief an das ZK zu schreiben, direkt an den Kollegen Hager, den Verantwortlichen für Kultur. Das tat ich, habe aber leider keine Kopie davon. Das war damals nicht so einfach möglich. Kopierer waren den Regierenden ein Dorn im Auge, hätte man doch damit gefährliche Flugblättervervielfältigen können. In meinem Brief habe ich klargestellt, dass Wolf Biermann in meinen Augen einer der größten deutschen Dichter sei und dass ich diese Unterschrift nicht zurücknehmen kann. Diplomatisch versuchte ich zu erklären, dass ich schließlich nicht ahnen konnte, dass die Petition in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung abgedruckt würde. Damit habe ich wohl ein kleines Zugeständnis gemacht, denn plötzlich hatte ich wieder Ruhe. Die Nerverei hatte ein Ende und auch der Konzertbetrieb lief wieder reibungslos.
Das Jahr 1977 fing gut an. Klaus Lenz beschloss, mal wieder eine Tournee zu organisieren und hatte etliche gute Leute zusammengetrommelt. In der Band spielten Axel Glenn Müller Saxofon, Wolfgang Fiedler und Christian Pittius Keyboards, Jacky Resniczek Bass. Außer Uschi und mir sangen Regine Dobberschütz, Klaus Nowodworski, Stefan Trepte, Hansi Klemm und Holger Biege. Zum Glück hat DT 64 dieses Konzert damals im Palast der
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