Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
mit meinem Bruder auf einem Parkplatz an der Autobahn, in der Nähe von Michendorf. Ganz geschickt haben wir einen großen Karton voller LPs in mein Auto geschmuggelt. Die Stasi war die ganze Zeit dabei und hat ’ne Menge aufgeschrieben. Aber wir haben das wohl so clever angestellt, dass sie die „Karton-Verschiebung“ gar nicht mitbekommen hat.
■ Abnabelung
Ich lebte immer noch zu Hause, im „Hotel Mama“. Das war schön, denn wenn man nach einer Tournee nach Hause kommt, ist man nicht so gern allein. Die Wohnung war geheizt und irgendetwas Essbares war immer zu finden. Das konnte natürlich nicht ewig so weitergehen. Die Behörden der DDR sorgten zusätzlich dafür, dass dieses bequeme Leben bald ein Ende haben würde. Die in Österreich lebende Schwester meiner Mutter benachrichtigte uns Ostern 1975, dass ihr geliebter Ehemann – mein Onkel Franz – unerwartet verstorben sei. Sie bat meine Mutter, schnellstens nach Graz zu kommen, es ginge ihr sehr schlecht. Nun war es ja bekanntlich in der DDR nicht so einfach, seine in einem westlichen Land lebende Verwandtschaft zu besuchen. Meine Mutter meldete das also ihrem ärztlichen Direktor im Krankenhaus Zepernick. Dieser gab ihr zu verstehen, dass er der Reise zustimmen würde, wenn sie denn ein für meine Tante ausgestelltes ärztliches Attest aus Österreich vorlegen könnte. Mama kümmerte sich um die nötigen Papiere und als diese bei uns im Briefkasten lagen, brachte ich sie sofort zu ihr ins Krankenhaus. Der Chef aber dachte nun natürlich nicht mehr im Traum daran, Schwester Else einfach so reisen zu lassen. Meine Mutter war daraufhin dermaßen empört, dass sie kurzerhand ihren Schwesternkittel an den Nagel hängte und ihm klar machte, dass sie in diesem Sklavenhalterstaat nicht eine Sekunde länger arbeiten würde. Sie ließ ihrer Kündigung einen Ausreiseantrag folgen. Das war zu dieser Zeit noch unüblich und sicher auch nicht ganz ungefährlich.Denkbar ist, dass man mit ihr vorsichtig umging, weil ich zu diesem Zeitpunkt schon recht populär war.
Sie ging jedenfalls wirklich nicht mehr zur Arbeit. Zum Glück verdiente ich genügend Geld für uns beide, und so haben wir uns die Zeit, in der sie noch da war, schön gemacht. Im Sommer fuhren wir in den Urlaub an unsere geliebte Ostsee. Bekannte von uns hatten in Zinnowitz ein Häuschen, und ich habe die Zeit dort mit meiner Mutter sehr genossen. Am 17. Dezember 1975 war es dann soweit. Ich brachte sie zum Grenzübergang und musste ab sofort sehen, wie ich allein zurecht komme. Mit sechsundzwanzigeinhalb Jahren war ich endlich flügge geworden.
Vor allem musste ich mich daran gewöhnen, allein rechtzeitig aufzustehen, wenn ich Termine hatte. Und die hatte ich zur Genüge. Zwar rief nicht Hollywood aber immerhin das DEFA-Studio für Spielfilme. Egon Günther, der berühmte Filmregisseur,drehte „Die Leiden des jungen Werthers“ für die DEFA. Ich wurde gefragt, ob ich die Rolle der Cousine von Werthers großer Liebe Lotte spielen würde. Na und ob. So was hatte ich mir immer gewünscht. Ich wollte viel mehr als nur singen. Die Musik war mir natürlich das Wichtigste, aber ich war gierig darauf, auch andere Sachen auf der Bühne und vor der Kamera auszuprobieren. Das Leben am Filmset ist ein völlig anderes als das auf Tournee. Ich habe begeistert zugesagt, auch weil Katharina Thalbach die Lotte spielen würde. Kathi war übrigens der erste und einzige Mensch, der mir jemals aus der Hand gelesen hat. Schon damals konnte man erkennen, dass sie eine große Rolle in der Film- und Theaterlandschaft spielen würde.
Als „Cousine“ in „Die Leiden des jungen Werthers“, 1976
Es sollte nicht der einzige Film sein, in dem ich mitgespielt habe. Herrmann Zschoche holte mich für seinen mit dem Silbernen Bären preisgekrönten Film „Bürgschaft für ein Jahr“, in dem ich die beste Freundin der Hauptdarstellerin Katrin Sass verkörpert habe.
■ Freundinnen
Mitte der Siebziger ahnten wir noch nicht, dass es bald ein Ereignis in der DDR geben würde, das den Anfang vom Ende dieses kleinen Landes einläuten sollte. Im Sommer plante ich, mit Uschi Brüning Urlaub an der Ostsee zu machen. Vorher wollten wir noch einen kleinen Umweg nehmen. Wir trafen uns bei mir in Buch. Nina Hagen, die sich auch zu uns gesellte, hat diesen Tag in ihren Memoiren beschrieben. Wir drei fuhren mit Uschis Trabant los, erst einmal in Richtung Prenzlau. Irgendwo dort in der Nähe hatte Eva-Maria Hagen, Ninas Mutter,einen
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