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Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)

Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)

Titel: Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Mann
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vielleicht eine Räuberpistole!Wie hätte ich denn einen Computer aus dem Westen mitbringen sollen? Die haben an der Grenze sogar meinen Kaffee geröntgt und vielleicht kann sich der geneigte Leser erinnern, wie groß ein Computer Anfang der 80er Jahre war.
    Ich hatte aber noch aus meinen Zeiten in Berlin-Buch eine tolle Anwältin, Sabine Deicke, die Frau des Schriftstellers Günter Deicke. Die hat sich sehr mutig für die abtrünnige Angelika Mann engagiert. Als das Ost-Finanzamt nicht klein beigeben wollte und behauptete, es gäbe sogar eine Quittung von mir, verlangte Frau Deicke einen Unterschriftsvergleich. Und plötzlich war die Sache aus der Welt.
    Aber ich bin abgeschweift. Wir sind ja schon im Jahr 1989. Und da rief auch wieder „Die Dreigroschenoper“. Im Sommer ’89 gastierten wir mit dem Stück an der Hamburgischen Staatsoper. Dieses Mal hatte ich auch eine anständige Gage ausgehandelt. Es war toll. Endlich war die „Zwergengruppe“ wieder zusammen. Ich wohnte in einer sehr schönen Theaterwohnung, nicht weit von der Oper, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Ingrid Caven. Ingrid gab wieder die Seeräuber-Jenny. Sie war sehr kollegial und brachte uns oft zum Lachen wenn sie Stories aus ihrer Zeit bei Rainer Werner Fassbinder zum besten gab, mit dem sie auch mal verheiratet war. Völlig zusammengebrochen sind wir alle, als sie sich während des Mackie-Messer-Songs verhaspelte, den sie am Ende der Vorstellung sang. Die wohl bekannteste Zeile des Liedes lautet: „Und man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht“. Ingrid sang: „Und man sieht nur die im Dunkeln (wir erstarrten alle), die im Lichte sieht man auch“. Das muss man drauf haben, sich irgendwie retten können, wenn man patzt.
    Und man muss flexibel sein. Das hatte ich unter Beweis zu stellen, als mich Günter Krämer drei Stundenvor einer Vorstellung anrief und mir eröffnete, dass ich für Therese Dürrenberger, die die Polly spielte, einspringen soll. Therese war heiser und konnte zwar noch sprechen aber auf keinen Fall singen. Sie sah zauberhaft aus in ihrem Brautkleid, klang aber mit ihrem rauem Hals wie ein Kerl, wenn sie ihren Mackie anhimmelte. Kurzerhand beschlossen wir, eine Playbacknummer daraus zu machen. Immer wenn sie an der Reihe war, stand ich mit den Noten auf der Bühne und sang ihren Part vom Blatt. Für das Auswendiglernen war vorher keine Zeit. Therese machte dazu, wie wir das alle aus dem Fernsehen kennen, einfach nur die passenden Mundbewegungen. Das Publikum war total begeistert und ich hatte großen Spaß bei der Sache, vor allem, als ich ganz allein das „Eifersuchtsduett“ gesungen habe.
    Toll war es in Hamburg, nur mein Kind hat mir schrecklich gefehlt. Ulrike war dreieinhalb Jahre alt und ich konnte sie nicht für die ganze Zeit mitnehmen. Wenn ich unterwegs war und irgendwo ein Kind Mama rief, bin ich erschrocken. Jede Mutter wird dieses Gefühl kennen. Zumindest hatte ich mich vertraglich so abgesichert, dass sie mich mehrmals entweder mit ihrem Papa oder der Oma besuchen konnte. Im September 1989 ging es dann bei den „Stachelschweinen“ weiter. Und im Oktober auch wieder mit der „Dreigroschenoper“ im Theater des Westens.
    Es war wirklich schön aber zugegebenermaßen war ich froh, als ich wieder „zu Hause“ war.

■ Umbruch 1989
    Nun hatten wir also den Herbst 1989 und die Nachrichten überschlugen sich. Mit Mühe schaffte ich es, meine Synchrondrehbücher, die ich ja neben meiner Theatertätigkeit auch noch schrieb, pünktlich abzuliefern, weil ich ständig Radio hörte oder fernsah. Die Genossen hatten wieder angefangen, den Rundfunkempfang zu stören, so wie ich das aus meiner Kindheit kannte, aber beim Fernsehen konnten sie nichts machen. Es war unfassbar – auf einmal fanden Demos in Leipzig statt, in Prag wurde die Botschaft von Ausreisewilligen überrannt und nachdem Genscher die frohe Botschaft ihrer Ausreise verkündet hatte, die unbedingt mit der Bahn über Dresden ablaufen sollte, wurde der dortige Hauptbahnhof gestürmt. Die Demo auf dem Alexanderplatz am 4. November hat mich umgehauen. Ich wäre am liebsten dabei gewesen.
    Am 9. November 1989 hatte ich Vorstellung bei den „Stachelschweinen“. Dort saßen wir im Aufenthaltsraum vor dem Fernseher und sahen in der Abendschau die berühmte Szene, in der Schabowski seinen Zettel rausholte und verkündete, dass ab sofort jeder in den Westen reisen darf. Mein Kollege Axel Lutter glaubte ganz fest daran, dass sofort die

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