Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
kann.
Hätte der Journalist vom FOCUS sich die Mühe gemacht, die Spitzelberichte über mich und die Berichte von Herrn H. zu vergleichen, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass er mit seinen Anschuldigungen falsch liegt. Das hätte mir viel Kummer erspart. Aber dann hätte er ja keine Story gehabt.
Und so stand eines Montags mit Farbfoto im FOCUS, die Angelika Mann, die so nett ihre Kindersendungen macht, kannte da jemanden, vielleicht hat sie, vielleicht auch nicht … Vor der Veröffentlichung im FOCUS ging die Meldung an die Deutsche Presseagentur. Über diese wurde kurz und knapp und natürlich deutschlandweit verkündet: Angelika Mann war ein Stasispitzel.
Besonders schlimm für mich war, dass man mir eine solche Tätigkeit überhaupt zutraute. Das war eine Schmach für mich, die mich regelrecht verzweifeln ließ. Eine solche Situation ist schwer beschreibbar. Das Leben ging natürlich weiter: Ich musste auf die Straße in Dresden, das Theater rief. Ich kam mir vor, als hätte ich ein Kainsmal auf der Stirn. Alle dachten, die Mann also auch. Auch in diesem Moment des Schreibens bekomme ich noch Herzrasen. Es gibt wahrscheinlich nichts Schlimmeres, als sich für etwas verteidigen zu müssen, was man nicht getan hat.
Auch mein Mann, der in Berlin war, bekam die plötzliche Ablehnung der Umgebung zu spüren. Man ignorierte ihn in unseren Stammgeschäften; die Wurstfachverkäuferin meinte, irgendetwas müsse ja dran sein an der Geschichte. Und ich war gezwungen, nach Berlin zurückzukehren – eine große Weihnachtsveranstaltung im Friedrichstadtpalast war geplant. Schon vorher war mir erzählt worden, dass einer meiner Sangeskollegen, ein recht bekannter Chansonnier, von dem ich eigentlich auch gedacht hatte, dass wir befreundet wären, sich hämisch über mein Unglück freute. Das ließ er durchblicken, als wir uns beim Weihnachtssingen trafen. Ichhabe ihm daraufhin einen Brief geschrieben, wie furchtbar enttäuscht ich von ihm sei. Er hatte uns früher oft zu Hause besucht, er kannte meine Mutter, wusste, welche politische Einstellung wir hatten. Er hat mir nie darauf geantwortet. Feige war er also auch noch.
■ Hilfe nach Verleumdung
Rettung nahte in Gestalt eines Journalisten der SUPER ILLU. Gerald Praschl ist dort sozusagen der Fachmann für politische Angelegenheiten und kannte sich mit Stasiakten bestens aus. Er kam mit meiner kompletten Akte, die ich ja so nie gesehen hatte, nach Dresden und wir saßen die halbe Nacht zusammen in einem Hotel. Dort erklärte er mir, dass aus der Akte ganz klar hervorginge, dass ich nicht mitgemacht habe bei diesem üblen Verein. Das bestätigte mir später auch der Pressesprecher der Stasi-Behörde, Johannes Legner. Dieser hatte dem FOCUS-Redakteur schon geraten, den Artikel nicht zu schreiben, weil aus den Akten hervorgehe, dass Angelika Mann kein IM gewesen sei. Ohne Erfolg.
Ich bin unbedingt dagegen, dass die Akten, wie es ja häufig gefordert wird, geschlossen werden. Jeder sollte das Recht haben zu erfahren, wer ihn bespitzelt hat. Aber man sollte verantwortungsvoll mit den Informationen umgehen und muss sie vor allem zu lesen wissen. Dass man sich vorher mit den Methoden der Stasi befasst, sollte selbstverständlich sein.
Ich hatte den FOCUS-Journalisten, der übrigens auch aus der DDR kam, darauf hingewiesen, dass es ein interessantes Buch gibt, „Rockmusik und Politik“. Darin ist ein Interview mit einem Major der Staatssicherheit zulesen, der auf die Rockmusiker angesetzt war. Er beschreibt, wie er Kontakt zu Musikern, die eventuell für das Ministerium interessant sein könnten, aufgenommen hat, zum Beispiel bei Festivals:
„[…] damit erst mal etwas da war, wurde ein IM-Vorlauf angelegt – egal, was daraus wurde. Die betreffende Person hat davon überhaupt nichts gewußt und hatte auch keinen Einfluß darauf“
(aus: Rockmusik und Politik, Ch. Links Verlag).
Genau das ist bei mir passiert. Bis heute überlege ich, ob der FOCUS vielleicht einen Hinweis von jemandem bekommen hat, der mir meinen Erfolg nicht gegönnt hat. Möglich ist alles.
Ich denke, dass ich mich nach Bekanntwerden der ganzen Geschichte, genau richtig verhalten habe. Ich bin in jede Radio- oder Fernsehsendung gegangen, die mich zu dem Thema eingeladen hatte, habe jeder Zeitung, die anfragte, ein Interview gegeben und alles dazu gesagt, was ich weiß.
Der Journalist Marko Martin schrieb, nachdem er meine Akte gelesen hatte, einen Artikel im TAGESSPIEGEL.
„Trostlos, tot, ohne
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