Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
heraus wurde die Idee zur Revue „Präsent 20 – Aus der Biographie einer HO-Verkaufstelle“ geboren. Mit Peter Schenderlein, ansonsten Pianist und Komponist von Rumpelstil am Klavier, Matthias Freihof und dem unvergessenen Alfred Müller sangen wir DDR-Schlager und spielten Sketche aus 40 Jahren DDR-Unterhaltungskunst. Die Sketche – allesamt amüsant und treffsicher – stammten aus der Feder des Publizisten und Gesellschaftskolumnisten Andreas Kurtz. Zu jeder Vorstellung strömten Massen. Unser Erfolg erregte sogar die Aufmerksamkeit des SPIEGEL, denn eines Tages bekam ich einen Anruf der Redaktion. Die wollten tatsächlich einen Bericht über mich machen. Ich war sehr erstaunt, dass ein Nachrichtenmagazin dieser Größe von mir kleiner Sängerin überhaupt Notiz nahm. Der Artikel war so gut, dass ich dachte, jetzt brauchst du dich nur noch auf die Couch zu legen und zu warten bis du berühmt bist. Weit gefehlt!
■ Die STASI – allgegenwärtig
Ein bisschen berühmt wurde ich dann gegen Ende des Jahres 1996 wirklich, aber auf diese Art Berühmtheit hätte ich liebend gern verzichtet.
Der MDR rief mich an und offerierte mir eine bunte Sendung für Kinder, in der ich als Moderatorin zwischen kurzen Filmen und Beiträgen agieren sollte. Sendetermin war jeden Sonntag von sechs bis zehn Uhr im Ersten Programm der ARD. „Lüttes Lampenladen“ wurde ein schöner Erfolg mit hohen Einschaltquoten. Die Eltern konnten am Sonntagmorgen ausschlafen und die Kleinen wurden von mir und einem witzigen Drachen unterhalten. Alles begann im Sommer 1996 und sollte mindestens ein Jahr lang laufen – ein Traum für jedenfreischaffenden Künstler, schließlich bedeutete diese Verpflichtung ein sicheres Einkommen über zwölf Monate.
Außerdem hatte ich noch jede Menge anderer Auftritte. Im Herbst ging es mit der „Präsent 20“-Revue nach Dresden zu einem Gastspiel an die Komödie. Alfred Müller war dort der absolute Publikumsliebling und so traten wir an jedem Abend vor ausverkauften Haus auf. Jeden Abend spielen, tagsüber durch Dresden bummeln und schauen, wie sich die Stadt veränderte und abends nach der Vorstellung noch ein Bierchen mit den Kollegen trinken – mein Leben schien perfekt.
Wir lebten alle zusammen in einem von der Komödie angemieteten Haus mit hübschen Theaterwohnungen. Dort rief mich Ende November dann der FOCUS an. Innerlich jubelnd dachte ich, die wollen nun auch einen schönen Bericht über mich schreiben wie der SPIEGEL. Ja, denkste!
Der nette Journalist am anderen Ende eröffnete mir, dass er, da ich ja nun so erfolgreich mit eigener Sendung in der ARD war, meine Stasi-Akte angefordert und dort herausgelesen habe, dass ich IM der Staatssicherheit gewesen war. Ich selbst hatte diese Akte natürlich längst eingesehen, darin aber nur abgehörte Telefonate, an mich gerichtete Briefe und Spitzelberichte über mich gefunden. Der Journalist bezog sich konkret auf Berichte des Stasi-Offiziers H., der jahrelang versucht hatte, mich für den Verein zu werben. Damit, so glaubte er, hätte er nun die große Story.
Selbstverständlich hat die Stasi auch versucht, in unseren Musikerkreisen Leute zu finden, die ab und zu mal einen Bericht schreiben würden. Da waren sie bei mir allerdings völlig fehl am Platze. Ich habe besagten OffizierH. nur deshalb kennen gelernt, weil sich meine Mutter, die zu dieser Zeit bereits im Westen wohnte, 1982 einer riskanten Operation unterziehen musste. Sie lebte allein und wollte natürlich, dass ihre Tochter ihr in dieser schweren Zeit beisteht. Da mich das Komitee für Unterhaltungskunst schon mehrmals zu Konzerten nach Westberlin geschickt hatte, besaß ich einen Pass und war guter Dinge, dass ich zu ihr fahren dürfte. Dumm geguckt habe ich schon, als man mir im Kulturministerium eröffnete, dass das nicht möglich sei. Für diese Entscheidung fehlte mir jedes Verständnis, wusste ich doch, dass es im Kulturbereich etliche Kollegen gab, die mal schnell zum Einkaufen ins KaDeWe rüberfahren durften.
Aber es führte kein Weg rein. Allerdings gab man mir den Tipp, zum Polizeipräsidium in die Keibelstrasse zu fahren und dort regulär einen Antrag zu stellen. Also bin ich da ziemlich hoffnungslos hingetrottet und setzte mich in den überfüllten Wartesaal. Es hätte ja durchaus auch sein können, dass die mich gleich durchschicken in den Knast nach Bautzen. Komischerweise wurde ich nach ein paar Minuten schon aufgerufen und stand in einem kleinen Zimmerchen vor einem
Weitere Kostenlose Bücher