Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
Akte schließen, in der die Stasi einmal nicht der strahlende Sieger geblieben war. Zehn Jahre schlug sich die „Lütte“ im Westen mit Synchronisationen amerikanischer Fernsehserien durch, ehe der nochmalige Durchbruch gelang und sie neben ihrem alten Ost-Publikum nun auch neue Fans im Westen gewann. Bis die Vergangenheit sie einholte – in der Version der Täter.
(Quelle: DER TAGESSPIEGEL, Marko Martin, 12.12.1996)
Auch wenn ich mich tapfer wehrte, von einer Verleumdung bleibt immer etwas stehen. Das spürte ich, als ich Anfang Dezember wieder zu Dreharbeiten für „Lüttes Lampenladen“ zum MDR nach Chemnitz fuhr. Ich war schon etwas verwundert, dass plötzlich eine Kollegin im Studio war, die mich nur für eine Folge vertreten sollte. Warum diese Vertretung überhaupt nötig war, erklärte man mir nicht. Man hat einfach versucht, mich elegant rauszuschmeißen, weil ich ja mit diesem Verdacht nicht mehr tragbar war. Der zuständige Herstellungsleiterwurde übrigens später zu mehr als sechs Jahren Gefängnis wegen Betrugs verurteilt. Letztendlich hat auch die neue Besetzung die Rolle nicht dauerhaft bekommen. „Lüttes Lampenladen“ wurde sang- und klanglos eingestellt.
Ich hatte plötzlich viel freie Zeit. Nach dem großen Erfolg der Claire Waldoff-Revue im Friedrichstadtpalast hatten Gerlinde Kempendorff und ich ein gemeinsames Programm erarbeitet mit Liedern aus den zwanziger Jahren – „Glanzlichter“. Auch Rumpelstil hielt mir die Treue. Doch die Medien hielten sich vornehm zurück.
Mit Mann und Kind und unserer Westie-Hündin Lilly war ich 1997 an den Tegeler See in eine wunderschöne Wohnung gezogen. Die war nicht billig und ich hatte manchmal ganz schön zu tun, um alle finanziellen Forderungen erfüllen zu können.
Aber ich hatte Glück im Unglück. Der Intendant der Tribüne, Rainer Behrend, wollte mich für die Revue „Berlin, jetzt kannste losjehn“ haben. Die Berliner Tribüne war – muss man leider sagen – ein kleines geschichtsträchtiges Haus in der Otto-Suhr-Allee in Charlottenburg, eine der ältesten Privatbühnen Berlins. Große Schauspieler haben dort schon auf den Brettern gestanden – Marlene Dietrich, Hildegard Knef, Adele Sandrock, Tilla Durieux, Edith Hancke und Klaus Sonnenschein. Viktor de Kowa hatte das Theater nach dem Krieg wiedereröffnet. Unter der Intendanz von Rainer Behrend und Ingrid Keller stand es besonders für politisch-literarische Programme. Leider hat der Berliner Senat die dringend benötigten Subventionen für die Tribüne im Jahre 2008 eingestellt. Berlin ist um ein schönes, wichtiges Theater ärmer.
Ende der neunziger Jahre war aber noch alles gut und die Proben konnten beginnen. Ich durfte Claire Waldoff darstellen und Brigitte Mira. Das passte wegen meinerFigur schon ganz gut. Um Brigitte Mira etwas näher zu kommen, stopfte ich mir die Wangen mit Wattebällchen aus. War zwar nicht ganz einfach, damit zu singen aberdas Publikum wusste sofort, wer gemeint war und jubelte. Besonders geliebt habe ich das Lied „O Mond“ von Friedrich Hollaender.
Als Brigitte Mira, Tribüne, 1999
Oh Mond von Friedrich Hollaender in der Tribüne-Revue „Berlin, jetzt kannste losjehn“, 1999
Der Erfolg war groß, und Rainer Behrend kam bei einem netten gemeinsamen Abendessen auf die Idee, für mich ein Stück über Claire Waldoff schreiben zu lassen. Als Autor kam hierfür nur einer in Frage: Friedel von Wangenheim. Friedel hatte viele Jahre als Texter für den Friedrichstadtpalast und das Männergesangsquartett Die Mimosen gearbeitet. Er war ein lebendiges Lexikon, was die Kulturgeschichte Berlins betraf.
Mit Friedel von Wangenheim an meinem 50. Geburtstag, 1999
Friedel hatte im Jahr 1999 die Titelrolle in Rosa von Praunheims Film „Der Einstein des Sex“. Ich saß gerade mit meinem Mann in einem netten Café, als Rosa höchstpersönlich anrief und mich bat, in dem Film als Mann verkleidet in einem verruchten Etablissement aufzutreten. Der liebe Friedel hatte ihm das vorgeschlagen.
„Der Einstein des Sex“, Szene mit Kai Schumann, Wolfgang Völz und Jörg Erdmann (v.l.n.r.)
Premierenfeier „Der Einstein des Sex“ mit Wolfgang Völz, Ben Becker, Rosa von Praunheim u.a.
Für das Waldoff-Stück sagte Friedel zu und bald hatte ich tatsächlich ein eigens für mich geschriebenes Theaterstück! „Claire Waldoff – Stationen einer Cabaret-Karriere“. Die Kritiken waren wunderbar und ich erlebte bei fast jeder Aufführung, dass das Publikum uns am
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