Angélique - Am Hof des Königs
zahlreichen Verbeugungen bis zur Tür zurück und ging hinaus.
»Was ist mit dir, Giovani? Soll ich versuchen, dich mit Monsieur Lully bekannt zu machen?«
»O ja, Herrin! O ja!«
»Und du, Kouassi-Ba, was willst du tun?«
»Ich will mit dir spazieren gehen, Médême.«
Angélique lächelte.
»Gut. Dann kommt mit, ihr beiden. Wir gehen in die Tuilerien.«
In dem Moment öffnete sich eine Tür, und Maître Fallot streckte seine schöne braune Perücke durch den Spalt.
»Ich habe Eure Stimme gehört, Madame. Und das trifft sich gut, denn ich habe auf Euch gewartet, weil ich Euch um eine kurze Unterredung bitten wollte.«
Angélique bedeutete ihren drei Begleitern, auf sie zu warten.
»Ich stehe zu Eurer Verfügung, Monsieur.«
Sie folgte ihm in seine Kanzlei, wo Schreiber und Aktuare bei der Arbeit waren. Der abgestandene Tintengeruch, das Kratzen der Gänsekiele, das schummrige Licht und die Anzüge aus schwarzem Tuch, in die die emsigen Leute gekleidet waren, machten den Raum nicht gerade zu einem heimeligen Ort. An den Wänden hingen eine Vielzahl schwarzer Beutel, in denen die Akten der bearbeiteten Fälle aufbewahrt wurden.
Maître Fallot führte Angélique in ein kleines Nebenzimmer, wo sich ein Mann von seinem Stuhl erhob.
»Maître Desgrez, Advokat«, stellte der Prokurator vor. »Maître Desgrez würde Euch in der schwierigen Angelegenheit Eures Gemahls zur Seite stehen.«
Bestürzt musterte Angélique ihr Gegenüber.
Das sollte der Advokat des Grafen de Peyrac sein? Einen fadenscheinigeren Umhang, verschlissenere Wäsche oder einen schäbigeren Hut würde man kaum auftreiben können. Neben ihm wirkte der Prokurator, der gleichwohl in hochachtungsvollem Ton von ihm redete, geradezu luxuriös gewandet. Der arme Junge trug nicht einmal eine Perücke, und sein langes Haar schien aus der gleichen braunen, widerspenstigen Wolle zu bestehen wie sein Gewand. Doch trotz seiner offenkundigen Armut verfügte er über ein äußerst selbstsicheres Auftreten.
»Madame«, erklärte er unverzüglich, »lasst uns nicht im Futur
und auch nicht im Konditional reden: Ich stehe zu Euren Diensten. Jetzt berichtet mir ohne Scheu, was Ihr wisst.«
»Meine Güte, Maître«, entgegnete Angélique kühl, »ich weiß so gut wie gar nichts.«
»Umso besser, dann gehen wir wenigstens nicht von falschen Vermutungen aus.«
»Es gibt zumindest eine gesicherte Tatsache«, mischte sich Maître Fallot ein, »den vom König unterzeichneten Verhaftungsbefehl.«
»Ganz richtig, Maître. Der König. Wir müssen vom König ausgehen.«
Der junge Advokat legte eine Hand ans Kinn und runzelte die Stirn.
»Schwierig, schwierig! Als Ausgangspunkt für eine Untersuchung kann man sich kaum etwas Höheres aussuchen.«
»Ich habe die Absicht, Mademoiselle de Montpensier, die Cousine des Königs, aufzusuchen«, sagte Angélique. »Ich hoffe, durch sie nähere Informationen zu erhalten, vor allem, wenn es sich tatsächlich um eine Hofkabale handelt, wie ich vermute. Und über sie könnte ich vielleicht auch Zugang zu Seiner Majestät bekommen.«
»Mademoiselle de Montpensier, pah!«, erwiderte ihr Gegenüber verächtlich. »Sie ist so ungeschickt. Vergesst nicht, Madame, dass sie auf Seiten der Fronde stand und Kanonen auf die Truppen ihres königlichen Cousins hat abfeuern lassen. Aus diesem Grund wird sie dem Hof immer verdächtig bleiben. Außerdem ist der König neidisch auf ihr gewaltiges Vermögen. Sie wird schnell einsehen, dass es nicht in ihrem Interesse ist, den Anschein zu erwecken, sie würde einen in Ungnade gefallenen Adligen unterstützen.«
»Ich glaube und habe bisher auch immer gehört, dass die Grande Mademoiselle ein gutes Herz hat.«
»Gebe der Himmel, dass sie es Euch beweist, Madame! Als
Sohn der Stadt Paris hege ich nur wenig Vertrauen in das gute Herz der Großen, die das Volk mit den Früchten ihrer Zwietracht nähren, welche ebenso bitter und verfault sind wie die, die unter Eurem Haus angeschwemmt werden, Maître Fallot. Aber sucht sie ruhig auf, Madame, wenn Ihr Euch etwas davon versprecht. Ich möchte Euch lediglich raten, Mademoiselle und dem Prinzen gegenüber nur sehr beiläufig Eure Lage zu erwähnen und nicht darauf zu beharren, welche Ungerechtigkeit Euch widerfahren ist.«
Angélique hörte ihm zu, doch sie war nicht überzeugt. Sie setzte große Hoffnungen in Mademoiselle. Dieser Winkeladvokat in seinen durchlöcherten Schuhen schien keine Ahnung zu haben, dass sie gerade erst einige Wochen lang
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