Angélique - Am Hof des Königs
gegeben.
Schließlich gab Mademoiselle nach, wie sie immer nachgegeben hatte. Sie hatte einfach ein zu gutes Herz.
Ihr Kammerherr M. de Préfontaines, der Angélique all diese vertraulichen Dinge erzählte, verdrehte die Augen und bat die junge Frau, in einem kleinen Salon Platz zu nehmen, dessen Fenster auf die Gärten hinausgingen. Dann fuhr er in seinem Lamentieren fort. Ach, aber das war ja noch gar nicht alles! Mademoiselle wünschte sich einen Überblick über den Zustand des Besitzes ihres verstorbenen Vaters zu verschaffen. Sie waren erst vor drei Tagen zurückgekommen, und seitdem war sie ständig von einem Schwarm Rechtsgelehrter umgeben und vergrub sich in alten Papieren, als habe sie den Ehrgeiz, ein Advokat zu werden.
Und als sei das alles nicht genug, wartete auch noch ein Abgesandter des Königs von Portugal auf sie, der beauftragt sei, über eine Hochzeit seines Monarchen mit der reichen Erbin zu verhandeln.
»Das ist doch wunderbar«, entgegnete Angélique. »Mademoiselle ist eine reizende Person, und ich bin mir sicher, dass sie bereits viele schmeichelhafte Angebote von europäischen Fürstenhöfen erhalten hat.«
»O ja, in der Tat«, bestätigte der gute M. de Préfontaines. »Bis hin zu einem Prinzen, der noch in der Wiege liegt und den man ihr vor sechs Monaten angetragen hat. Aber Mademoiselle
ist schwierig. Ich weiß wirklich nicht, ob sie sich eines Tages entscheiden wird. Es gefällt ihr so gut in Paris, dass sie niemals den Mut aufbringen wird, an einem langweiligen kleinen Hof in Deutschland oder Italien zu leben. Was Seine Majestät Alfons VI. von Portugal betrifft, so hat sie mich angewiesen, aufmerksam die Botschaft seines Gesandten anzuhören. Vergebt mir also, Madame, wenn ich mich jetzt zurückziehe.«
Angélique hatte die Menschen, die ihr Auskunft gegeben hatten, in Saint-Jean-de-Luz kennengelernt. Sie erkannten sie nicht nur wieder, sondern behandelten sie ganz so, als sei sie seitdem nicht mehr aus ihrer Mitte gewichen. Und da sie sich für die Reise nach Paris dem königlichen Triumphzug angeschlossen hatte, war das ja auch tatsächlich der Fall. Man hatte gesehen, wie sie in der Kutsche von Mlle. de Montpensier und der Königinmutter mitgefahren war. Sie verspürte das gleichzeitig beruhigende wie absurde Gefühl, von jetzt an ein Teil des Hofes zu sein. Es war, als sei sie durch einen unsichtbaren Schirm von ihrer eigenen Welt in das seltsame Universum eines Olymps getreten, der es gewohnt war, von unten herauf mit Ehrerbietung und Furcht betrachtet zu werden. Wie in Saint-Jean-de-Luz empfand sie den betörenden Bann dieser Welt, doch in ihrer Sorge um Joffrey und sein Schicksal erkannte sie auch den Egoismus, der in diesen Sphären herrschte und wahre Freundschaften unmöglich machte.
Sie machte sich Vorwürfe wegen dieses leisen Misstrauens, während sie sich doch gerade anschickte, an das gute Herz und den guten Willen dieser vom Schicksal Begünstigten zu appellieren. Sie musste es schaffen, ihr Interesse zu wecken, sie zu überzeugen und sie zu rühren, um von ihnen die Hilfe zu bekommen, die sie brauchte.
Nachdem sie allein zurückgeblieben war, ermahnte sich Angélique zur Ruhe und Geduld.
Sie setzte sich an eines der Fenster und blickte hinaus auf
die herrlichen Gärten. Hinter den mosaikartigen Blumenbeeten leuchteten die weißen Tupfen eines großen Obstgartens, und dahinter konnte sie in der Ferne das Grün der Bäume und des Kaninchengeheges erkennen.
Ein Gebäude am Ufer der Seine beherbergte das Vogelhaus von Ludwig XIII., wo noch immer Jagdfalken aufgezogen wurden, und zur Rechten lagen die berühmten königlichen Stallungen und Reithallen, von wo um diese Zeit der Lärm galoppierender Pferde und die Rufe der Pagen und Reitmeister herüberdrangen.
Angélique genoss die Landluft und betrachtete die sich drehenden kleinen Windmühlen auf den fernen Anhöhen von Chaillot, Passy und Le Roule.
Um die Mittagszeit füllte sich der Palast endlich mit lärmendem Trubel, und die Herzogin von Montpensier erschien. Sie schwitzte und fächelte sich Kühlung zu.
»Meine liebe junge Freundin«, begrüßte sie Angélique, »Ihr kommt immer genau im passenden Moment. Wenn ich mich umschaue, sehe ich nur dumme Gesichter, denen ich am liebsten eine Ohrfeige verpassen würde. Euer entzückendes Antlitz mit diesen klugen hellen Augen hingegen erscheint mir so … erfrischend. Ja, genau das ist es: erfrischend … Bringt man uns jetzt endlich Limonade und Eis oder
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