Angélique - Am Hof des Königs
näher humpelte und sich bei seinem Anblick erstaunlich flink wieder davonmachte.
»Das hat man davon, wenn man wie der einfache Pöbel zu Fuß geht«, brummte Marguerite zunehmend entrüstet vor sich hin.
Sie wanderten an der endlosen Galerie des Louvre entlang, die das Schloss des Königs mit dem Tuilerienpalast verband.
Aus zartgrauen Quadersteinen erbaut, deren Farbe mit dem Pariser Himmel harmonierte, wies die parallel zum Ufer verlaufende Große Galerie abwechselnd spitze und runde Giebel auf, und ihre schlichte, regelmäßige Fassade wurde lediglich von griechischen Säulen mit Akanthuskapitellen aufgelockert.
Angélique, die im Augenblick für einen so strengen Charme nicht empfänglich war, hatte vor allem das Gefühl, dass diese langen Mauern einfach kein Ende nahmen. Auf sie wirkten sie finster und Unheil verkündend. Es hieß, die Große Galerie sei von dem verbrecherischen König Karl IX. erbaut worden, der sicher sein wollte, im Falle eines Aufstands aus Paris fliehen zu können, ohne seinen Palast verlassen zu müssen. Und tatsächlich führte die Große Galerie des Louvre geradewegs in die Stallungen der Tuilerien, wo er ein Pferd besteigen und gleich hinaus aufs offene Land reiten konnte.
Angélique seufzte erleichtert auf, als sie die efeuüberwucherte Tour du Bois erblickte, den Überrest der alten Stadtmauer von Paris. Dann tauchte der Pavillon de Flore auf, der den Abschluss der Großen Galerie bildete und sie im rechten Winkel mit dem Tuilerienpalast verband.
Die Luft wurde kühler. Eine leichte Brise strich über die Seine und wehte die übel riechenden Ausdünstungen der Stadt davon.
Endlich lagen die Tuilerien vor ihnen, der mit tausend Ornamenten geschmückte Palast, gekrönt von einer mächtigen Kuppel und Laternen. Die Residenz strahlte weibliche Anmut aus, denn sie war von einer Frau und für eine Frau erdacht worden: Katharina, Erbin der glanzvollen italienischen Familie Medici und Gemahlin von König Heinrich II. Dieser war bei einem Turnier in der Nähe des Hôtel des Tourelles ums Leben gekommen, als die Spitze der gesplitterten Lanze seines Gegners Montgomery durch einen Spalt im Visier seines Helms eingedrungen
war. Nach dem Tod ihres geliebten Gemahls hatte Katharina de Medici außer sich vor Schmerz das Viertel vollständig niederreißen lassen und sich anschließend in ihren schwarzen Witwenschleiern, die sie nie wieder ablegen sollte, von diesen Schauplätzen »königlicher Belustigungen« abgewandt und war ans andere Ende von Paris gezogen. Sie hatte beschlossen, noch ein Stück vor dem Louvre einen Palast für sich allein bauen zu lassen, der unmittelbar an das offene Land grenzte. Da dieser auf dem Gelände einer ehemaligen Ziegelbrennerei 19 errichtet worden war, war deren Name auf jenen Palast übergegangen, in dem Katharina von da an ungestört trauern und sich ihren Erinnerungen hingeben konnte.
Hatte sie dort leben können?
Die glühende Katholikin, die lange Zeit als Regentin für ihren Sohn Karl IX. ein zwischen zwei Religionen zerrissenes Land regiert hatte, wurde für das Massaker der Bartholomäusnacht verantwortlich gemacht, bei dem zahllose Hugenotten niedergemetzelt worden waren.
Doch auf den ersten Blick ließ der Palast keine Spuren naher oder ferner Gräuel erkennen.
Mit dem Louvre verbunden und dennoch von ihm losgelöst, war er ein freundlicher, nach Licht dürstender Bau, der seine unzähligen ionischen Säulen – eine ganz besonders feminine Säulenordnung, wie der Architekt Philibert Delorme, darauf bedacht, den Erwartungen der Königin zu entsprechen, betont hatte -, seine Mauern, Fenster, Statuen und Balkone in der Sonne entfaltete, ohne dass auch nur das geringste Hindernis Schatten auf ihn warf.
Denn dort endete Paris.
Weiter westlich erstreckten sich bis zum Horizont nur noch »herrliche Gärten, bewundernswerte Parks und stille Wege«, wie die Chronisten sangen, dazu Wälder und Hügel mit kleinen Dörfern und frommen Klöstern.
In den Tuilerien angekommen, hieß man Angélique warten. Die Grande Mademoiselle war in den Palais du Luxembourg gefahren, um alles für ihren Umzug dorthin vorzubereiten, denn Monsieur hatte beschlossen, ihr die Tuilerien streitig zu machen, obwohl Mademoiselle dort schon seit Jahren wohnte. Er hatte sich bereits mit seinem gesamten Gefolge in einem Flügel des Palasts niedergelassen. Mademoiselle hatte ihn als selbstsüchtigen Querulanten beschimpft, und es hatte lautstarke Auseinandersetzungen
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