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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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vorgenommen, welcher des Einvernehmens und des Umgangs mit dem Teufel angeklagt wird. In Anbetracht dessen, dass gemäß dem Rituale Romanum jeder wahrhaft vom Teufel Besessene drei außergewöhnliche Fähigkeiten aufweisen muss, nämlich
    1. die Kenntnis von Sprachen, die er nie gelernt hat;
    2. die Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen und verborgene Dinge zu wissen;
    3. übernatürliche körperliche Kräfte;
    haben wir, als einziger vom Römischen Offizial bevollmächtigter Exorzist für die gesamte Diözese von Paris, in dieser Nacht des 25. Dezember 1660, unterstützt von zwei weiteren Priestern unserer heiligen Gemeinschaft, den Gefangenen, Graf Joffrey de Peyrac, den durch das Rituale Romanum vorgeschriebenen Prüfungen und Befragungen unterzogen. Diese haben ergeben, dass der Exorzierte nur diejenigen Sprachen spricht, die
er auch gelernt hat, und insbesondere weder des Hebräischen noch des Chaldäischen mächtig ist, welche zwei von uns beherrschen; dass dieser Mann hochgelehrt, aber keinesfalls hellsichtig erscheint; dass er keine übernatürlichen Körperkräfte aufwies, sondern lediglich eitrige, durch tiefe Stiche hervorgerufene Wunden und alte Gebrechen. Daher erklären wir, dass der von uns untersuchte Joffrey de Peyrac in keinster Weise vom Teufel besessen ist...‹ Es folgen die Unterschriften des ehrwürdigen Pater Kiher S. J., Großexorzist der Diözese Paris, und der ehrwürdigen Patres de Marsan und de Montaignat, die ihm dabei assistiert haben.«
    Es war so still, dass man das Summen einer Fliege hätte hören können. Die Verblüffung und Verwirrung im Saal war beinahe mit Händen zu greifen, doch niemand rührte sich oder sprach auch nur ein Wort.
    Desgrez sah das Gericht an.
    Â»Was soll ich dieser Stimme noch hinzufügen? Ihr Richter werdet nun Euer Urteil fällen. Aber zumindest seid Ihr Euch dabei jetzt einer Sache gewiss: Die Kirche, in deren Namen man von Euch die Verurteilung dieses Mannes fordert, spricht ihn vom Verbrechen der Hexerei, dessentwegen man ihn vor Gericht gezerrt hat, frei... Messieurs, ich überlasse Euch Eurem Gewissen.«
    Gelassen griff der Advokat nach seinem Barett, setzte es sich wieder auf den Kopf und stieg die Stufen des kleinen Podests hinunter.
    Â 
    Daraufhin richtete sich Bourié auf, und seine scharfe Stimme hallte durch die Stille.
    Â»Dann soll er herkommen! Er soll persönlich herkommen! Es obliegt dem ehrwürdigen Pater Kiher, von dieser geheimen Zeremonie Zeugnis abzulegen, die in mehr als einer Hinsicht
fragwürdig erscheint, da sie ohne Wissen der Justiz vorgenommen wurde.«
    Â»Pater Kiher wird kommen«, erklärte Desgrez sehr ruhig. »Er sollte bereits hier sein. Ich habe ihn holen lassen.«
    Â»Ach ja? Und ich sage Euch, er wird nicht kommen«, schrie Bourié. »Weil Ihr gelogen habt. Ihr habt alle Unterlagen zu diesem aberwitzigen geheimen Exorzismus gefälscht, um das Gericht zu beeindrucken. Ihr habt Euch hinter den Namen bedeutender Kirchenmänner verschanzt, um das gewünschte Urteil zu erwirken... Der Betrug wäre irgendwann entdeckt worden, aber zu spät...«
    Desgrez, der bislang so würdevoll aufgetreten war, gewann seine übliche Impulsivität zurück und ging auf Bourié los.
    Â»Das ist eine Beleidigung, Monsieur. Im Gegensatz zu Euch bin ich kein Fälscher. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Eid, den ich vor der königlichen Anwaltskammer geleistet habe, als man mir das Advokatenamt übertrug.«
    Das Publikum hatte erneut zu lärmen begonnen. Stehend versuchte Masseneau, sich Gehör zu verschaffen. Doch immer noch übertönte Desgrez’ Stimme alles andere:
    Â»Ich verlange... Ich verlange, dass die Sitzung auf morgen vertagt wird. Dann wird Pater Kiher seine Aussagen hier bestätigen, das schwöre ich.«
    Â 
    In dem Moment schlug eine Tür auf. Ein kalter Luftzug, in den sich einige Schneeflocken mischten, wehte durch einen der Eingänge aus dem Hof herein. Alle drehten sich zur Tür um, in der zwei schneebedeckte Stadtwachen erschienen waren. Sie traten zur Seite, um einen kleinen, untersetzten Mann vorbeizulassen. Er war sorgfältig gekleidet, und seine kaum durchnässte Perücke und der schwarze Mantel verrieten, dass er gerade erst einer Kutsche entstiegen war.
    Â»Vorsitzender dieses hohen Gerichts«, erklärte er mit rauer
Stimme, »ich habe

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