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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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Schrecken und Wirren des Krieges... Während hier...«
    Mit schmerzlicher Geste deutete er auf die kleinen blonden Mädchen, die vor ihren Näpfen saßen.
    Â»Hier ist es die Justiz«, entgegnete der Scharfrichter würdevoll.
    Â 
    Ungezwungen lehnte er sich an den Tisch, und seine Haltung verriet, dass er in der Stimmung war, ein wenig zu plaudern.
    Â»Ihr seid mir sympathisch, Pfarrer. Ihr erinnert mich an einen Gefängniskaplan, mit dem ich lange zusammengearbeitet habe. Und ich kann mit Gewissheit sagen, dass alle Verurteilten, die wir zusammen auf ihrem letzten Weg begleitet haben, vor ihrem Tod das Kruzifix geküsst haben. Wenn alles vorbei war, weinte er immer, als hätte er sein eigenes Kind verloren, und er war so bleich, dass ich ihm oft genug einen Becher Wein einflößen musste, damit er sich wieder erholte. Ich nehme immer einen Krug guten Wein mit. Man weiß nie, was passiert, vor allem bei den Lehrlingen. Mein Vater war Henkersknecht, als der Königsmörder Ravaillac auf der Place de Grève gevierteilt wurde. Er hat mir erzählt … Ach was, die Geschichten werden Euch bestimmt nicht gefallen. Ich werde sie Euch später einmal erzählen, wenn Ihr Euch an das Ganze gewöhnt habt. Kurzum, manchmal habe ich den Kaplan gefragt: ›Pfarrer, glaubst du, dass ich verdammt werde?‹
    â€ºWenn du verdammt wirst, Henker‹, antwortete er dann immer, ›dann werde ich Gott bitten, dass er mich mit dir verdammt. ‹
    Schaut her, Abbé, ich will Euch etwas zeigen, das Euch ein wenig beruhigen wird.«
    Â 
    Nachdem er erneut in seinen zahlreichen Taschen gewühlt hatte, hielt er ihm ein kleines Fläschchen hin.

    Â»Das ist eine Rezeptur, die mir mein Vater hinterlassen hat. Und der wiederum hatte sie von seinem Onkel, der Scharfrichter unter Heinrich IV. war. Ich lasse sie heimlich von einem befreundeten Apotheker herstellen, dem ich im Gegenzug menschliche Schädel liefere, aus denen er sein ›Magisterium‹ 12 herstellt. Er behauptet, dieses Magisterium sei das beste Heilmittel gegen Harngrieß und Schlagfluss, aber dafür braucht er den Schädel eines jungen Mannes, der eines gewaltsamen Todes gestorben ist. Wie auch immer... das ist seine Sache. Ich bringe ihm ein, zwei Schädel, und er mischt mir meinen Trank zusammen, ohne jemandem ein Sterbenswörtchen davon zu verraten. Wenn ich einem Gemarterten ein paar Tropfen davon gebe, versetzt ihn das in fröhliche Stimmung, und er spürt die Schmerzen nicht mehr so stark. Das bekommen natürlich nur diejenigen, deren Familien dafür bezahlen. Aber es ist doch trotzdem eine Gefälligkeit, nicht wahr, Abbé?«
    Angélique hörte mit offenem Mund zu. Der Scharfrichter drehte sich zu ihr um.
    Â»Wollt Ihr, dass ich ihm morgen früh etwas davon gebe?«
    Â»Ich... ich habe kein Geld mehr«, brachte sie mit weißen Lippen heraus.
    Â»Das ist im Preis inbegriffen«, antwortete Maître Aubin und ließ die Börse in seiner Hand hüpfen.
    Wieder zog er das silberne Kästchen heran und schloss die Börse darin ein.
    Mit einem gemurmelten Gruß wandte sich Angélique zur Tür und ging hinaus.
    Am liebsten hätte sie sich übergeben. Ihr Rücken schmerzte, und ihr ganzer Körper fühlte sich an wie zerschlagen. Doch das lebhafte Treiben auf dem Platz, das Lachen und die Rufe, quälte sie weniger als die düstere Atmosphäre im Haus des Scharfrichters.
    Trotz der Kälte standen die Türen der Läden immer noch offen.
Jetzt war Zeit für ein paar Plaudereien unter Nachbarn. Die Stadtwachen brachten den vom Rad abgenommenen Dieb zurück ins Gefängnis des Châtelet; Gassenjungen verfolgten die Gruppe und bewarfen sie mit Schneebällen.
    Plötzlich hörte Angélique hinter sich hastige Schritte. Keuchend holte der junge Abbé sie ein.
    Â 
    Â»Meine Schwester... meine arme Schwester«, stammelte er. »Ich konnte Euch nicht einfach so fortgehen lassen!«
    Jäh wich sie vor ihm zurück. Im schwachen Licht der Laterne, die über einer Ladentür hing, sah der erschreckte Geistliche ein wachsbleiches Gesicht, in dem zwei grüne Augen beinahe phosphoreszierend leuchteten.
    Â»Lasst mich«, sagte Angélique mit metallischer Stimme. »Ihr könnt nichts für mich tun.«
    Â»Meine Schwester, betet zu Gott...«
    Â»Im Namen Gottes wird morgen mein unschuldiger Mann

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