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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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lesen.
    Â»In Ordnung«, sagte er. »Morgen bei Tagesanbruch nehme ich Euch mit.«
    Â»Kann ich nicht schon heute Abend zu ihm?«
    Â»Unmöglich. Alles ist verschlossen. Ich bin der Einzige, der Euch zu dem Verurteilten bringen kann, und nichts für ungut, Abbé, aber ich muss dringend einen Happen essen. Den anderen Handwerkern ist es verboten, nach dem Abendläuten noch zu arbeiten. Aber für mich gibt es weder Tag noch Nacht. Wenn es den Vertretern der hohen Gerichtsbarkeit einfällt, einen Verurteilten zum Geständnis zu zwingen, würden sie vor lauter Wut am liebsten noch zum Schlafen dort bleiben! Heute ist alles drangekommen: das Wasser, die Spanischen Stiefel, die Streckbank.«
    Â 
    Der Priester schlug die Hände zusammen.
    Â»Der Unglückliche! Allein in einem finsteren Verlies mit seinem
Schmerz und der Furcht vor dem nahen Tod! Mein Gott, steh ihm bei!«
    Der Henker bedachte ihn mit einem argwöhnischen Blick.
    Â»Ihr werdet mir doch hoffentlich keinen Ärger machen? Es genügt schon, dass mir dieser Bécher ständig am Rockzipfel hängt und immer meint, ich täte nicht genug. Beim heiligen Cosmas und dem heiligen Eligius, wenn Ihr mich fragt, ist er hier eher derjenige, der vom Teufel besessen ist!«
    Während er sprach, leerte Maître Aubin seine großen Jackentaschen aus. Er warf ein paar Gegenstände auf den Tisch, und mit einem Mal schrien die kleinen Mädchen vor Bewunderung auf. Ein entsetzter Schrei antwortete ihnen.
    Â 
    Mit weit aufgerissenen Augen erkannte Angélique zwischen ein paar Goldstücken das kleine perlenbesetzte Etui, in dem Joffrey früher die Tabakstäbchen aufbewahrte, die er zu rauchen pflegte. Sie griff danach und presste es an ihre Brust.
    Ohne böse zu werden, nahm ihr der Scharfrichter das Etui wieder ab.
    Â»Immer mit der Ruhe, mein Kind. Was ich in den Taschen eines Gefolterten finde, darf ich behalten.«
    Â»Ihr seid ein Dieb!«, versetzte sie keuchend. »Ein abscheulicher Aasgeier, ein Leichenfledderer!«
    Â 
    Seelenruhig holte der Mann eine Schatulle aus ziseliertem Silber vom Rand des Kaminrauchfangs und legte seine Beute wortlos hinein. Seine Frau spann nickend weiter.
    Â»Sie sagen alle dasselbe, wisst Ihr«, murmelte sie in entschuldigendem Ton, an den Priester gewandt. »Man darf es ihnen nicht übel nehmen. Aber die da sollte nicht vergessen, dass wir mit einem Verbrannten auch nicht gerade viel anfangen können. Ich kann nicht einmal die Leiche abnehmen, um das Fett an die Apotheker zu verkaufen und die Knochen...«

    Â»Erbarmen, meine Tochter«, fiel ihr der Priester ins Wort und hielt sich die Ohren zu.
    Er schaute Angélique aus großen, mitfühlenden Augen an. Doch sie sah ihn gar nicht. Sie zitterte und biss sich auf die Lippen. Sie hatte den Henker beschimpft! Jetzt würde er den schaurigen Gefallen ablehnen, um den sie ihn bitten wollte.
    Â 
    Mit seinem schweren, wiegenden Gang kam Maître Aubin um den Tisch herum auf sie zu. Er hatte die Daumen in seinem breiten Ledergürtel verhakt und musterte sie ruhig.
    Â»Abgesehen davon, was kann ich für Euch tun?«
    Â 
    Zitternd und unfähig, auch nur ein Wort zu sagen, hielt sie ihm die Börse hin. Er nahm sie, wog sie in der Hand und richtete seinen ausdruckslosen Blick erneut auf Angélique.
    Â»Ihr wollt, dass ich ihn erdrossele...?«
    Sie nickte.
    Der Mann öffnete die Börse und ließ ein paar Ecus in seine breite Hand gleiten.
    Â»Gut«, sagte er, »das wird erledigt.«
    Als er die entsetzte Miene des jungen Priesters sah, der seine Worte gehört hatte, runzelte er die Stirn.
    Â»Ihr haltet doch den Mund, Pfarrer, nicht wahr? Ich gehe damit ein großes Risiko ein, versteht Ihr. Wenn das herauskäme, würde ich eine Menge Ärger bekommen. Ich kann es erst im allerletzten Moment machen, wenn die Zuschauer den Pfahl vor lauter Rauch schon nicht mehr richtig sehen. Damit tue ich den Leuten nur einen Gefallen, versteht Ihr?«
    Â»Ja... Ich werde nichts sagen«, presste der Abbé hervor. »Ich... Ihr könnt Euch auf mich verlassen.«
    Â»Ich mache Euch Angst, was?«, fragte der Scharfrichter. »Ist es das erste Mal, dass Ihr einem Verurteilten beisteht?«
    Â»Im Krieg habe ich oft den von Monsieur Vincent geforderten
Beistand geleistet und die Unglücklichen, die aufhängt werden sollten, zum Baum geleitet. Aber das war Krieg... die

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