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Angelique Der Gefangene von Notre Dame

Titel: Angelique Der Gefangene von Notre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Golon Anne
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Gesicht ist ganz schwarz.«
    Â»Das kommt vom Hängen. Sein Gesicht war vorher noch blau. Kennst du nicht das Lied...?«
    Und jemand begann leise zu singen:
    Â»Der Erste war ganz blau im Gesicht,
    Der Zweite war ein schwarzer Wicht,
    Und der Dritte hieß Peyrac.
    Drei Herren also nach Satans Geschmack...«
    Angélique presste die Hand auf den Mund, um ihren Aufschrei zu ersticken. In dem unförmigen, schaukelnden Leichnam mit dem verquollenen Gesicht und der angeschwollenen Zunge hatte sie den Sachsen Fritz Hauer erkannt. Ein zerlumpter Bengel sah sie an und sagte lachend: »Da kippt schon die Erste um! Was die wohl sagen wird, wenn sie erst den Hexenmeister braten?«
    Â»Anscheinend klebten die Frauen an ihm wie die Fliegen am Honig.«
    Â»Kein Wunder, der war ja auch reicher als der König!«

    Â»Und sein ganzes Gold hat er durch Teufelswerk selbst gemacht.«
    Angélique erschauerte und zog ihren Umhang fester um sich.
    Â»Ihr solltet nicht hierbleiben, Kind«, sagte ein dicker Metzger von der Schwelle seines Ladens aus gutmütig. »Was hier passiert, ist kein Anblick für eine Frau, die bald Mutter wird.«
    Angélique schüttelte eigensinnig den Kopf.
    Nach einem Blick auf ihr bleiches Gesicht und ihre großen, verstörten Augen zuckte der Metzger mit den Schultern. Als Anwohner des Platzes kannte er die traurigen Gestalten, die in der Nähe der Galgen und Schafotte herumstrichen.
    Â»Hier findet doch gleich die Hinrichtung statt?«, fragte sie mit tonloser Stimme.
    Â»Das kommt darauf an, zu welcher Ihr wollt. Ich weiß, dass heute Morgen ein Pamphletist am Châtelet aufgehängt werden soll. Aber wenn Ihr den Hexenmeister meint, dann seid Ihr hier richtig. Seht Ihr, da hinten ist der Scheiterhaufen.«
    Â 
    Der Scheiterhaufen war ein ganzes Stück weiter entfernt errichtet worden, fast schon am Flussufer. Es war ein riesiger Stapel aus übereinandergeschichteten Reisigbündeln, auf dessen Spitze sie einen Pfahl erkennen konnte. Man brauchte eine kleine Leiter, um hinaufzusteigen.
    Ein paar Meter davon entfernt stand das Schafott, auf dem sonst die Enthauptungen durchgeführt wurden. An diesem Tag war die gesamte Plattform mit Schemeln vollgestellt, auf denen sich bereits die ersten Zuschauer niederließen, die dort Plätze reserviert hatten.
    Hin und wieder erhob sich eine Windböe und blies feinen Schneestaub in die geröteten Gesichter. Eine kleine Alte suchte Schutz unter dem Vordach des Metzgers.
    Â»Frisch heute Morgen«, sagte sie. »Am liebsten wäre ich ja bei meinen Fischen und dem Kohlenbecken in der Markthalle
geblieben, da ist’s gemütlicher. Aber ich habe meiner Schwester versprochen, ihr für ihr Rheuma ein Stück Knochen von dem Hexer mitzubringen.«
    Â»Das soll ja Wunder wirken.«
    Â»Ja. Der Barbier aus der Rue de la Savonnerie hat mir versprochen, ihn zusammen mit Mohnsamenöl zu zerstampfen. Angeblich ist es das beste Mittel gegen Schmerzen.«
    Â»Es wird bestimmt nicht leicht, ein Stück davon abzubekommen. Maître Aubin, der Scharfrichter, hat die Zahl der Wachen verdoppeln lassen.«
    Â»Natürlich, der will die guten Stücke ja auch für sich behalten, dieser raffgierige Verbrecher, dieser elende Höllenhenker! Aber Scharfrichter oder nicht, jeder wird am Ende seins bekommen«, entgegnete die Alte und verzog die Lippen zu einem bösen Lächeln, sodass ihre verfaulten Zähne sichtbar wurden.
    Â»Vor Notre-Dame habt Ihr vielleicht eher die Möglichkeit, einen Fetzen von seinem Hemd abzubekommen.«
    Â 
    Angélique spürte, wie kalter Schweiß ihren Rücken überzog. Sie hatte den ersten Teil des grausigen Ablaufs vergessen: den Bußgang nach Notre-Dame.
    Hastig rannte sie auf die Rue de la Coutellerie zu, aber die ununterbrochene Flut der Menschen, die wie ein wimmelnder Ameisenhaufen aus dieser Richtung auf den Platz strömten, versperrte ihr den Weg und drängte sie wieder zurück. Niemals, niemals würde sie rechtzeitig nach Notre-Dame kommen!
    Â 
    Der dicke Metzger verließ seine Türschwelle und kam ihr nach.
    Â»Wollt Ihr nach Notre-Dame?«, fragte er leise in mitfühlendem Ton.
    Â»Ja«, stammelte sie, »ich wusste nicht mehr... ich...«
    Â»Hört zu, ich sage Euch, wie Ihr es am besten macht. Geht quer über den Platz hinunter zum Weinhafen. Dort bittet Ihr einen
der Schiffer, Euch nach Saint-Landry

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