Angélique - Hochzeit wider Willen
ihm gegenüber an ihrem Kopfende des Tisches. So waren sie nie allein miteinander; eine Begegnung, die sie fürchtete.
Aber sie sah, wie wohlüberlegt er den Menschen, denen er Ehre erweisen wollte, seine Aufmerksamkeit schenkte.
Wenn die Gesellschaft sich auf die Terrasse begab, um die Desserts oder einen Imbiss einzunehmen, oder in den Eingangshof, um noch ein paar Worte zu wechseln oder Abschiedsgrüße auszutauschen, hielt er oft jemanden auf, um ihm einige persönliche Worte zu sagen. Er zog die Person näher an sich heran, indem er einem Mann den Arm um die Schultern legte oder eine Dame um die Taille fasste. Und sogar der Trübsinnigste wurde heiter, wenn er so seiner Anerkennung teilhaftig wurde.
Joffrey de Peyrac übte eine große Anziehung auf die Frauen aus.
Langsam wurde Angélique dieser nicht zu leugnende Umstand, der sie während der ersten Tage verblüfft hatte, begreiflich. Ihr war nicht entgangen, dass die schönen Freundinnen des Hauses ins Stammeln gerieten oder erschauerten, wenn sich auf den Gängen der zögerliche Schritt des hinkenden Edelmanns näherte. Wo er erschien, verbreitete sich unter den Damen fieberhafte Aufregung. Er wusste, wie man mit Frauen sprach. Er konnte bissig oder sanft sein und wusste genau, was er zu sagen hatte, damit die Angesprochene das Gefühl hatte, unter allen anderen bemerkt zu werden. Innerlich bäumte Angélique sich auf wie ein widerspenstiges Pferd, wenn seine schmeichlerische Stimme zu ihr drang. Ihr schwindelte bei der Erinnerung an die beunruhigenden Warnungen, die sie erhalten hatte: »Er lockt die Frauen mit seltsamen Zaubern zu sich.«
Diese Damen stürzten sich oft als Erste mit Bravour in eine Diskussion. Wenn diese dann ein wenig scharf verlief, sodass es fast an Unhöflichkeit grenzte, hielt Angélique unwillkürlich Ausschau, ob auf diese Debatte das »Trostgeschenk« folgen würde. Und meist ließ es nicht lange auf sich warten. Und sie musste – nicht ohne einen insgeheimen Verdruss zu unterdrücken – weiterhin feststellen, dass diese gezierten Damen nicht die geringste Angst vor dem von Narben gezeichneten Gesicht zu haben schienen, das sich zu ihnen herabbeugte. Jetzt war sie sich ganz sicher: Bestimmt verzauberte er sie mit seinem feurigen Blick, seinem strahlenden Lächeln und seinen leisen, auserlesenen Komplimenten, die jede von ihnen annahm wie ein Bouquet kostbarer Blumen, die ihnen Stoff für ihre Träume schenkten.
Doch auch Angélique konnte sich nicht darüber beklagen, vernachlässigt zu werden.
Kein Tag verging, an dem sie nicht in ihren Räumen ein Geschenk vorfand; Nippes oder ein Schmuckstück, ein neues Kleid, Möbel oder sogar Konfekt oder Blumen. Alles zeugte von perfektem Geschmack und von einem Luxus, der sie blendete, entzückte... und auch in Verlegenheit brachte. Sie wusste nicht recht, wie sie dem Grafen die Freude, die seine Geschenke ihr bereiteten, zeigen sollte. Jedes Mal, wenn sie gezwungen war, direkt das Wort an ihn zu richten, konnte sie sich nicht durchringen, den Blick zu seinem narbigen Gesicht zu heben, und wurde nervös und stotterte.
Eines Tages fand sie in der Nähe des Fensters der großen Galerie, an das sie sich zu setzen pflegte, eine mit rotem, goldpunziertem Saffianleder bezogene Schatulle; und als sie diese öffnete, sah sie das herrlichste Diamantgeschmeide vor sich, das sie sich je hatte vorstellen können.
Zitternd betrachtete sie den Schmuck und sagte sich, dass gewiss die Königin nichts dergleichen besaß, als sie die unverwechselbaren Schritte ihres Gatten vernahm.
Spontan lief sie strahlend auf ihn zu.
»Wie prächtig! Wie soll ich Euch nur danken, Monsieur?«
In ihrer Begeisterung war sie zu rasch auf ihn zugestürzt und stieß beinahe mit ihm zusammen. Ihre Wange streifte den Samt seines Wamses; während ein eiserner Arm sie plötzlich festhielt. Das Gesicht, das ihr solche Angst machte, befand sich so nahe vor ihrem, dass ihr Lächeln verlosch und sie mit einem unbezähmbaren Entsetzensschauer zurückwich. Sogleich ließ Joffrey de Peyrac den Arm sinken.
»Mir danken? Warum?«, fragte er gelassen und ein wenig überheblich. »Vergesst nicht, meine Teure, dass Ihr die Frau des Grafen de Peyrac seid, des letzten Abkömmlings der berühmten Grafen von Toulouse. In dieser Stellung müsst Ihr die
schönste Frau mit dem herrlichsten Schmuck sein. Fühlt Euch in Zukunft nicht mehr verpflichtet, mir zu danken.«
Nach diesem Zwischenfall war sie noch den ganzen
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